Vor langer, langer Zeit lebten die Menschen im kleinen Dorf Weyer in ständiger Angst. Ganz in der Nähe, in einer dunklen Höhle tief im Wald, hauste ein schrecklicher Riese namens Kakus. Er war riesig – größer als jedes Haus – und hatte ein wüstes Gesicht mit zottigen Haaren und einem struppigen Bart. Seine Kleider waren aus dreckigen Kuhhäuten, und er war so stark, dass er Bäume wie Grashalme aus dem Boden riss.
Aber Kakus war nicht nur riesig und stark – er war auch böse. Er zertrampelte die Felder, raubte das Vieh der Bauern und erschreckte die Kinder mit seinem furchterregenden Gebrüll. Die Dorfbewohner wussten nicht, was sie tun sollten. Keiner war stark genug, um Kakus zu stoppen.
Eines Tages hörte ein tapferer Held namens Herkules von den Problemen der Dorfbewohner. Herkules war auch sehr groß und stark, aber er war ganz anders als Kakus. Er war freundlich, half den Menschen, wo er nur konnte, und war immer bereit, gegen das Böse zu kämpfen.
Als Herkules ins Dorf kam, baten die Menschen ihn: „Lieber Herkules, bitte hilf uns! Kakus macht uns das Leben schwer.“
Herkules nickte. „Ich werde euch helfen. Aber zuerst brauche ich eine starke Keule!“ Die Dorfbewohner schnitzten ihm eine riesige Keule aus dem stärksten Baum des Waldes.
Mit seiner neuen Keule in der Hand machte sich Herkules auf den Weg zur Höhle. Schon von weitem hörte er das dröhnende Lachen von Kakus. Als er ankam, stand der Riese breitbeinig vor dem Höhleneingang und rief: „Was willst du hier, du kleiner Wicht?“
Herkules blieb ruhig und sagte: „Kakus, ich bin hier, um dich zu bitten, die Menschen in Ruhe zu lassen.“
Doch Kakus lachte nur lauter. „Du willst mich aufhalten? Versuch’s doch, wenn du dich traust!“ Mit diesen Worten griff er nach einem riesigen Felsen und schleuderte ihn auf Herkules.
Herkules wich dem Felsen geschickt aus und griff selbst zu einem Stein, den er auf Kakus zurückwarf. So begann ein gewaltiger Kampf. Die beiden Riesen schleuderten Steine, dass die Erde bebte. Kakus riss einen Baum aus und schwang ihn wie eine Keule, aber Herkules blockte mit seiner eigenen Keule.
Der Kampf dauerte den ganzen Tag, bis die beiden schließlich so nah beieinander waren, dass sie mit bloßen Händen kämpfen mussten. Herkules war schneller und geschickter, und mit einem letzten, mächtigen Schlag seiner Keule traf er Kakus mitten auf die Brust.
Mit einem lauten Schrei fiel der böse Riese zu Boden. Kakus war besiegt!
Die Dorfbewohner jubelten vor Freude. Endlich waren sie frei von Kakus’ Schreckensherrschaft! Doch Herkules hatte sich in dem Kampf verletzt. Mühsam schleppte er sich zurück ins Dorf, wo ihn die Menschen so gut wie möglich pflegten. Doch nach drei Tagen schloss Herkules seine Augen und schlief friedlich ein.
Die Dorfbewohner waren traurig, aber sie wollten ihren tapferen Helden niemals vergessen. Sie begruben ihn auf einem Hügel, der bis heute „Herkelstein“ genannt wird, um an seine Tapferkeit zu erinnern.
Und so erzählt man sich noch heute von Herkules, der mit Mut und Stärke das Böse besiegte. Diese Geschichte zeigt uns, dass es sich immer lohnt, für das Gute zu kämpfen – selbst wenn es schwierig ist. Denn am Ende siegt immer der Mut über die Angst!
Neuerzählung von Ingo Keller: Weyer – Das Weyerer Märchenbuch (3/9), 2025
Quellenangaben:
Verfasser Unbekannt - Originaltext von 1907
Sagen der Kakushöhle - von Sophie Lange
Die römische Cacushöhle bei Latium (Virgil) von Hubert Gierlichs / In: Rheinische Geschichtsblätter, Heft VII, 1904, Seite 153 – 154