Vor langer, langer Zeit, als Weyer noch ein kleines Dorf mit einer großen Burg und einer mächtigen Kirche war, lebten tief unter der Erde kleine, geheimnisvolle Wesen: die Zwerge. Sie waren bekannt für ihre Stärke, ihre Handwerkskunst und ihre fröhlichen Lieder, die durch die unterirdischen Gänge hallten.
Die Leute im Dorf erzählten sich, dass unter der Kirche von Weyer ein langer, dunkler Gang begann, der bis zur Kakushöhle führte, einer Höhle voller Wunder und wo die Zwerge ihrer Arbeit nachgingen. In der Kirche wohl behütet von 2 Bären hatten sie eine Kiste mit Gold unter der Kanzel verborgen, wo es sicher aufbewacht wurde. Die Kinder durften niemals dorthin gehen, denn man sagte, in den Gängen lebten die Zwerge, und sie mochten es gar nicht, wenn man sie störte und gefährliche Bären würden diesen Eingang schützen.
Die Zwerge waren jedoch nicht immer so zurückgezogen. Einst waren sie fleißige Helfer der Menschen. Sie halfen den Bergleuten, gruben Stollen in die Berge und sangen dabei fröhliche Lieder. Doch die Menschen, die zuerst freundlich zu den Zwergen waren, begannen, sie zu hänseln.
„Schaut die kleinen Männer!“ riefen sie. „Wie winzig sie sind!“
Die Zwerge wurden traurig und zogen sich zurück in ihre Gänge. Doch sie hinterließen den Menschen eine Warnung: „Betretet unsere Gänge nicht, wenn ihr keinen guten Grund habt!“
Von diesem Tage an mieden die Menschen die Zwerge und ihre Gänge. Man erzählte sich Schauermärschen von Zwergen welche Menschen Jagen würden um sie später zu verspeisen. Und irgendwann, sprach keiner mehr über die Freunde von einst.
Im Dorf lebte ein Junge namens Jakob, der immer neue Abenteuer suchte. Eines Tages hörte er die Geschichte vom unterirdischen Gang und den Zwergen. Sein Herz schlug vor Aufregung. „Ich will die Zwerge sehen! Vielleicht singen sie mir ein Lied!“ sagte er zu sich selbst.
Gegen den Rat der Erwachsenen schlich Jakob zur Kirche, er gab gut acht und war leise, denn die Bären wollte er nicht wecken. Hinter einem alten Stein fand er tatsächlich den Eingang zu einem dunklen Tunnel. Mutig trat er hinein.
Der Gang war kalt und still, nur das Tropfen von Wasser war zu hören. Plötzlich blitzten kleine Augen in der Dunkelheit auf. „Wer wagt es, unseren Gang zu betreten?“ fragte eine hohe, aber feste Stimme.
Jakob blieb stehen. Vor ihm standen drei Zwerge mit langen, weißen Bärten. „Ich wollte euch nur besuchen“, sagte er schüchtern.
Die Zwerge schauten sich an. „Du bist mutig, kleiner Mensch. Aber unsere Welt ist gefährlich für dich. Komm, wir zeigen dir den Weg zurück.“
Während die Zwerge Jakob sicher nach oben begleiteten, erzählten sie ihm ihre Geschichte. „Früher waren wir Freunde der Menschen. Wir halfen ihnen, sangen für sie und lebten in Frieden. Doch sie haben uns ausgelacht und unsere Freundschaft verspielt.“
Jakob hörte aufmerksam zu. „Vielleicht könnten wir wieder Freunde werden?“ fragte er vorsichtig.
Die Zwerge lächelten traurig. „Das wäre schön, kleiner Mensch. Doch wir fürchten, die Menschen haben uns vergessen.“
Als Jakob endlich wieder das Tageslicht sah, drehte er sich um, doch die Zwerge waren verschwunden. Er erzählte allen Dorfbewohnern, was er erlebt hatte, und versprach, den Zwergen ein Geschenk zu bringen, um ihre Freundschaft zurückzugewinnen.
Am nächsten Tag versammelten sich die Kinder von Weyer und sangen mit Jakob ein Lied das er sich für die Zwerge ausgedacht und den anderen beigebracht hatte:
„In den Bergen, tief und klein,
lebt ein Zwerg, so flink und fein.
Arbeit, Lieder, Handwerkskunst,
vergesst die Freundschaft niemals – welch Gunst!“
Ob die Zwerge jemals zurückkamen, weiß niemand genau. Aber manchmal, wenn der Wind durch die Bäume pfeift, glaubt man, das Echo ihrer Lieder aus der Tiefe zu hören.
Und so bleibt das Märchen vom unterirdischen Gang der Zwerge von der Kirche in Weyer bis zur Kakushöhle und eine Geschichte von Mut, Freundschaft und der Hoffnung, dass wir unsere Fehler wieder gutmachen können.
Neuerzählung von Ingo Keller: Weyer – Das Weyerer Märchenbuch (5/9), 2025
Quellenangaben:
Sagen der Kakushöhle / Die Flucht der Zwerge von Sophie Lange
Unterirdischer Zwergengang - Gottfried Henßen: Sagen, Märchen und Schwänke des Jülicher Landes, 1955
Führer durch das Feytal, die Kakushöhle - Peter Schiffer, Höngen b. Aachen (Selbstverlag) Eupen 1907
Kultpfade und unterirdische Gänge - von Sophie Lange In: Kölnische Rundschau. Eifelland. 14.03.1990
Mythen und ein Erklärungsversuch - Website Weyer-Eifel.de
Die Zwerje haale ne Mensch jefange von Josef Rosenbaum, Zingsheim
Bare als Schatzhöde von Frau Mauel, Weyer