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    Travertinabbau „ahle Koansteen“

    Johann W. Mießeler / www.eiserfey.de

    Nach amtlichen Unterlagen und Aufzeichnungen wurde Travertin umfangreich unterhalb (1913 – 1932) und neben der Kakushöhle links der Straße in Richtung Weyer (1937 – 1942) im Steinbruch abgebaut.

    Schon im 18. Jahrhundert soll von Kloster Steinfeld hier in Steinbrüchen der Marmor abgebaut worden sein.

    Travertin gehört zu der Gruppe der Sedimentgesteine und ist ca.100.000 bis 800.000 Jahre alt. Der Name kommt aus dem italienischen travertino und bedeutet „Stein aus Tivoli“. Travertin ist ein mehr oder weniger poröser Kalkstein, der in verschiedenen Farben (Gelb, Beige, Braun und Rot) vorkommt und aus kalten, warmen oder heißen Süßwasserquellen als Quellkalk chemisch ausgefällt wurde. (Ausscheiden von gelösten Stoffen in Form von Kristallen, Flocken oder Tröpfchen). Dieser Süßwasserkalk besteht fast ausschließlich aus Calciumcarbonat (CaCO³).

    Travertin ist auf den Kontinenten weit verbreitet. Die Vorkommen sind meist nicht sehr mächtig. Mit der Kakushöhle bietet sich uns ein gleich vor der Haustür gelegenes, eindrucksvolles und anschauliches Beispiel eines solchen Vorkommens.


    Travertin wird im Bauwesen als Naturstein und zur Dekoration verwendet. Dass der Abbau des hiesigen Travertingesteins einmal wirtschaftlich bedeutend werden sollte, war im Jahr 1895 noch nicht abzusehen. Im März 1895 berichtete das „Unterhaltungsblatt und Anzeiger für den Kreis Schleiden und Umgebung“:

    Über Eifelmarmor ist in der letzten Zeit viel in den Zeitungen berichtet worden, welcher in den Kreisen Schleiden, Prüm und Daun gefunden worden sei und der die Güte des belgischen Marmors noch übertreffen solle. Proben von Eifelmarmor wurden schon vor 2 Jahren von einem Baubeamten im Kölner Eifelklub gezeigt. Damals wurde behauptet der Eifelmarmor gleiche dem Baustoff des neuen Palais in Potsdam. Vom Eifelmarmor sollen Altäre und Taufsteine der alten Klosterkirche zu Steinborn hergestellt worden sein. Es heißt, die königliche Regierung wolle eine Untersuchung über Bauwürdigkeit veranlassen.


    Die Kreisverwaltung Schleiden erkannte frühzeitig den drohenden Verlust des einmaligen Gesteins und Kulturgut und kaufte nach schwierigen Verhandlungen 09.04.1913 das Zentrum der Kakushöhle von Everhard Esser. Die von 36.000 Mark auf 20.000 Mark stark reduzierte Kaufsumme konnte nur mit großzügiger Unterstützung durch Spenden von Privatleuten und Institutionen gezahlt werden. Der Abbau ging dennoch weiter, obwohl die Kakushöhle als „großartiges Naturdenkmal“ eingestuft wurde und „seine Erhaltung eine Notwendigkeit“ sei.

    Die gesammelten Erkenntnisse führten dazu, dass zunächst ein Teilbereich der Kakushöhle mit Polizeiverordnung vom 05.04.1927 zum Naturschutzgebiet erklärt wurde. Diese Verordnung löste bei den wirtschaftlich betroffenen Unternehmen einen Sturmlauf der Entrüstung aus. Gerichtlich wurde dagegen vorgegangen, da abgeschlossene Lieferverträge nicht mehr erfüllt werden konnten. Ebenso betroffen von dieser Maßnahme waren die Eigentümer der an Gebr. Horst verpachteten Grundstücken, u. a. auch der Urgroßvater des Autors, da für 10 Tonnen (4 m³) abgebauten Travertin ein Betrag von 20,00 RM gezahlt wurde.

    Der Kreis versuchte nach und nach Grundstücke von den angrenzenden privaten Grundstückseignern zu erwerben. Dennoch wurden die nicht unter Naturschutz gestellten Randgebiete weiter ausgebeutet.

     


    Chronik\Fotos Travertin\Kartenausschnitt Naturschutz ca. 1931.jpg


    Die Karte zeigt den Zustand um 1931, die grün umrandeten Grundstücke sind Kreiseigentum und gleichzeitig Naturschutzgebiet. Im Laufe der nachfolgenden Jahre erwarb der Kreis weitere Grundstücke. 1934 wurden die Grundstücke rechts von der Straße, von Weyer in Richtung Dreimühlen, „Ahle Koansteen“ gekauft. Derweil wurde der Naturschutz wiederholt ausgedehnt, jedoch in den Folgejahren von den Nationalsozialisten ausgesetzt. Das ermöglichte ihnen den Abbau von Tausenden Kubikmetern Travertingestein für ihre Prunkbauten zur Glorifizierung der Nazi-Diktatur.

    Glatte Schnittstelle am Felsmassiv sichtbar

    Die erste Musterlieferung erfolgte im Oktober 1937. Nach einem harten Winter wurde ab März 1938 ständig geliefert. Allein im Zeitraum vom 03. November 1938 bis 26. Januar 1939 wurden 148 cbm in Blöcken geschnitten, insgesamt sollen es über 6000 m³ für Nürnberg gewesen sein. Die Blöcke wurden auf dem Weg nach Nürnberg bei verschiedenen Steinmetzwerkstätten in Scheiben zersägt. Die Scheiben dienten als Fassadenverkleidung der Türme in Nürnberg. In diesem Bericht wird nicht weiter detailliert auf dieses Thema eingegangen. Hierüber hat der Mechernicher Heimatforscher Peter-Lorenz Könen unter „Eifeler Travertin für das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg“ ausführlich berichtet.

    Foto zeigt Fritz Esser auf seinem Lanz Bulldog mit Travertinblöcken beladenen Anhängern

    In der Eiserfeyer Schulchronik schreibt Lehrer Alfons Nießen, mit Datum vom 1. November 1938, sehr anschaulich über den Abbau des „Ahle Koansteens“. Seine Darstellung wird wörtlich zitiert.

    „Mächtig wuchsen die stolzen Repräsentativbauten in Nürnberg, München, Berlin und anderen deutschen Städten ihrer Vollendung entgegen. Quader um Quader wird aufeinander gefügt. Es ist deutscher Stein, der an diesen Bauwerken Verwendung findet und zum Teil aus unserer nächsten Nähe stammt. Travertin, auch Eifeler Marmor wird er genannt. Die Stelle, wo fleißige Hände schon ein Jahr tätig sind, den Stein zu brechen, liegt kaum ein Bogenschuß von unserem Dorf entfernt. Gegenüber dem Kartstein (Kakushöhle) auf der anderen Seite der Straße nach Weyer liegt der Bruder des Kartsteins. Dicht an der Straße türmt sich der Eiszeitgesteinskegel in etwa 20 bis 30 Meter Höhe. Hier befindet sich der Travertinbruch eines Kölner Marmorwerkes, von dem aus seit Monaten Eifeler Marmor an die erwähnten Bauten geliefert wird. Leise surren die teils senkrecht, teil schräg und auch horizontal laufenden Seiltransporträder, über die das 420 Meter lange Sägeseil verläuft. Diese Länge wäre an sich wegen des Sägeeffekts nicht notwendig, doch bei kürzeren Sägeseilen würden zu viele Seile verschleißen, da der Sägeprozess mit Hilfe von feinem Mechernicher Quarzsand und Wasser den Schneidedraht stark beansprucht. Travertin ist stellenweise nämlich so hart wie der Granit, auf dem er ruht. Auch der lange Sägedraht reicht für einen Schnitt nicht aus. Ein solcher Schnitt dauert durchschnittlich zehn bis elf Tage. Dabei wird eine, je nachdem ein bis zwei Meter dicke Tafel von 100 bis 110 Quadratmeter von dem Felsmassiv abgeschnitten. Vier Seillängen von 420 Meter Länge werden normalerweise hierfür gebraucht. Der anfänglich 5 Millimeter starke Sägedraht schleißt bis auf mehr als die Hälfte ab. Aus diesem Grunde muss der Sägeschnitt zugegipst werden, damit das beim Schneideprozess zugesetzte und unerlässliche Sand-Wasser-Gemisch nicht aus der Sägefuge hinausläuft. Die Härte des Eifeler Marmors beweist die Tatsache, dass der Sägeschnitt stündlich nur fünf Zentimeter beträgt. Ist der Schnitt beendet, dann wird die senkrecht abgeschnittene Scheibe mit Keilen und Winden sorgsam auf die bereits abgeräumte Seite umgelegt. In besonderen Fällen wird auch ein Moper verwandt, kleine, unscheinbare, etwa 20 Zentimeter hohe und 30 Zentimeter lange Kästchen, hydraulische Pumpen, die 50 bis 100 Tonnen leisten. Oberhalb und unterhalb der Sägestelle knattern die Preßluftbohrer. Dort, um den auflagernden Abraum zu beseitigen, der jedoch nur flach aufliegt, da, um die stattliche Scheibe in entsprechende Blöcke zu teilen. Von Januar bis heute wurden etwa 600 Kubikmeter Travertin abgebaut. Der vorhandene Rest wird etwa die gleiche Ausbeute ergeben. Unser Travertin enthält wie aller Muschelkalk auch zahlreiche Eindrücke, Einschlüsse bzw. Abdrücke. Da gibt es Fische, Farn und andere Dinge aus der Eiszeit zu sehen. Hier und da lagern guterhaltene Holzstücke in dem Gestein, das von gelblicher Farbe ist.
    Auf der Baustelle ist die Kraftstation in einer Bretterbude untergebracht. Neben dem Maschinenhaus erheben sich noch verschiedene andere Buden aus rohem Schalholz, die als Lager für Material und Unterkunft für die 17-köpfige Steinbruchbelegschaft dienen. Interessant ist auch die Art, wie das Sägeseil straff gehalten wird. Das geschieht durch ein Lorenuntergestell, auf dem je nach der Tiefe des Schnittes, mehr oder weniger Steinblöcke lagern. Das ganze läuft auf Schienen und ist verstellbar. Wuchtig ragen zwei Holzkräne auf, die die Steinriesen sicher von der Höhe herunterführen und auf geeignete Wagen zum Transport per Trecker verladen. Sie sind durch mächtige Drahttaue verankert und zwar teilweise in Zement und teilweise sind sie um kleinere Geschwister des Hauptsteinmassivs geschlungen. Das Wasser wird von Dreimühlen aus dem nie versiegenden Hauserbach durch eine oberirdische Rohrleitung gedrückt.
    Inzwischen ist man nicht sehr weit von dieser Arbeitsstätte entfernt, bei Pesch, auf ein gutes Travertinvorkommen gestoßen. Während an der Kakushöhle der Marmorberg 40 bis 50 Meter lang ist, hat man bei Pesch eine Länge von 300 Meter gemessen. Die Tiefe bzw. die Höhe der neuen Ader wird im Augenblick noch festgestellt.
    Der Sägemeister ist ein gebürtiger Vorarlberger. Unter anderem hat er sich auch in Montevideo und in den Kordilleren den Wind um die Nase wehen lassen.
     1932 kehrte er heim. Die Arbeiter sind meistens in den umliegenden Dörfern beheimatet.“

    Soweit der Bericht von Herrn Nießen.
    Schwere Hebeanlagen (Derrick-Kran) am „ahle Koansteen“, 1938
    „ahle Koansteen“ von Süden

    Der Abbau wurde 1942/43 eingestellt. Seit dieser Zeit überwuchern einheimische Pflanzen den ehemaligen Steinbruch, sodass man davon fast nichts mehr erkennen kann. Einzig und allein ein bearbeiteter, im äußeren Höhlenbereich liegende Quader bzw. ein aufgestelltes, geschnittenes Steinstück erinnert an den Travertinabbau vergangener Tage.

    verbliebener Steinquader an der Kakushöhle

    Travertinabbau „Mies“, Urfey

    Neben den bereits erwähnten Marmorsteinbrüchen an der Kakushöhle gab es einen weiteren Steinbruch zwischen Weyer und Urfey.

    Das im Besitz der Familie Zingsheim aus Urfey befindliche Grundstück wurde zur Ausbeutung des Travertingesteins 1938 an Ludwig Mies von der Rohe verpachtet. Der Gesteinsabbau wurde von 1939 bis ca. 1944 durchgeführt. Details zu den Abbauarbeiten werden hier nicht beschrieben. Hierzu wird ausführlich in der Veröffentlichung „Mies im Westen“ berichtet. (siehe Literatur und Quellenangaben)

    Ludwig Mies van der Rohe zählte zu den bekanntesten Architekten des 20. Jahrhunderts. Sein Bruder Ewald Mies hatte den elterlichen Steinmetzbetrieb in Aachen übernommen, und bearbeitete und handelte mit Steinmaterial. Er betrieb auch den Travertinsteinbruch in Urfey. Neben den erwähnten Tätigkeiten war er auch erfolgreicher Konstrukteur von Steinsägen und Steinbearbeitungsgerätschaften. Ewald Mies meldete mehrere Patente an. Das Patent einer Steinseilsäge, Patent Nr, 803029, wurde am 02.10.1948 angemeldet und am 18.01.1951 veröffentlicht. Nachfolgend wird das Patent einer Steinseilsäge von 1931/32, Patent Nr. 548791 dargestellt.


    technische Zeichnung Patent, Ewald Mies, Steinseilsäge, 1931
    Quellen:
    • Eifelvereinsblatt März und April 1913
    • Eiserfeyer Schulchronik 1936-1967
    • Euskirchener Volksblatt, April 1938,
    • Unterhaltungsblatt und Anzeiger für den Kreis Schleiden und Umgegend (Amtliches Kreisblatt),13.April 1895,
    • Kreisarchiv Euskirchen SLE I. 198 / 425-426 u SLE I. 197 / 015 ff
    • dito SLE I.  198 / 160 ff, SLE I. 190 / 227 ff, SLE  I. 198 / 510, SLE I. 195.2 / 049
    • Stadtarchiv Mechernich
    • Fotos Privat
    • Gemeindearchiv Nettersheim Lageplan von den Grundstücken am Kartstein, Gemarkung Weyer
    • dito Eifeler Volkswacht EIFLIA Heimatblätter Nr. 2, 1929
    • dito div. Schriftverkehr der Gemeinde Weyer mit Kreis Schleiden
    • dito Gerichtsurteil vom 25.10.1927 KA 6866
    • dito Schreiben Landrat an Fa. Nobis-Lancier vom 02.12.1937
    • Peter Lorenz Könen; Eifeler-Travertin für das Reichsparteitagsgebäude in Nürnberg. Arbeitsgruppe Bergbaugeschichte. 2. Auflage, Mechernich 2013
    • Norbert Hanenberg, Daniel Lohmann, Ursula Kleefisch-Jobst, Peter Köddermann: Ludwig Mies von der Rohe, Mies im Westen, Projekte und Spuren im Rheinland. Geymüller Verlag, Aachen 2022
    • Patentschrift Nr. 548791, Ewald Mies in Aachen, Steinsäge, bei der zur gleichzeitigen Vornahme mehrerer Schnitte ein endloses Drahtseil verwendet wird.

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