#weyereifel
    Bürgerhaus Weyer
    Sanierung der Hauptstraße / Bis 2025
    Weyer in der Eifel
    Feuerwehrgerätehaus Weyer
    Pfarrkirche St. Cyriakus
    Kriegerdenkmal und Jubiläumsstele


    Die spätgotische Hallenkirche auf einer Anhöhe über dem Dorf geht auf eine romanische Pfeilerbasilika zurück und zählt zu den ältesten Pfarrkirchen im Mechernicher Stadtgebiet. Bei Bauarbeiten deckte man wiederholt Gräber auf, die belegen, dass die Kirche auf einem frühmittelalterlichen Gräberfeld errichtet wurde. Älter noch ist ein Weihestein für römische Muttergottheiten, die sogenannten Matronen, den man 1991 bei Renovierungsarbeiten im Altar der Kirche entdeckt hat.
     

    Die Pfarrkirche

     
    Ausgrabung von 1991:
    Grau: freigelegte Grabplatten und mittelalterliche Fundamente des romanischen Vorgängerbaus.
    Rot: im Altar verbauter römischer Matronenstein und Teil einer römischen Schuppensäule (Streufund).

    Die katholische Pfarrkirche St. Cyriakus liegt auf einer Anhöhe am Rande des heutigen Dorfes Weyer, dessen Ortsname sich als Wiere bereits im frühmittelalterlichen Güterverzeichnis der Abtei Prüm findet. Auf das Frühmittelalter gehen auch die sogenannten Steinplattengräber zurück, die immer wieder im Umfeld der Kirche gefunden wurden. Wann genau die erste Kirche hier errichtet wurde, liegt im Dunkeln.
     
    Grundriss der katholischen Pfarrkirche St. Cyriakus in Weyer von 1915 mit Darstellung der verschiedenen Gewölbe.

    Nach Ihrer Erstnennung im Jahre 1187 war St. Cyriakus dem Kloster Steinfeld inkorporiert (eingegliedert). Bei dieser hochmittelalterlichen Kirche handelt es sich um eine dreischiffige romanische Pfeilerbasilika mit Querschiff und vorgesetztem Westturm. Im heutigen Kirchenbau sind die vermauerten, teilweise von spätgotischem Gewölbe überschnittenen Rundbogenfenster in der oberen Wandfläche des Mittelschiffs und die ungleich gestalteten Pfeiler noch sichtbare Hinweise auf die romanische Basilika. Reste dieses Baus fand man auch im Zuge von Renovierungsarbeiten im Jahr 1991.
    Der Umbau zu einer niedrigen spätgotischen Hallenkirche mit dreiseitigem Chorabschluss vollzog sich um 1500 in zwei Bauphasen. Gotische Merkmale sind beispielsweise die Spitzbogenfenster und das Stern- und Netzgewölbe im Hauptschiff sowie das Kreuzrippengewölbe der Seitenschiffe.
     

    Ausgrabung von 1938
    Beim Neubau der Sakristei. Frühmittelalterliches Steinplattengram mit primärer Bestattung und Nachbestattung.











    Der Matronenstein

    Vorderseite des Matronensteins.
    Drei sitzende Göttinnen in langen Gewändern, flache Schalen oder Tabletts mit Früchten haltend. Die seitlichen Matronen tragen große Hauben.
    Inschrift: MATRONIS/VACALLINEHIS L(ucius) /CALDINIUS FIRMINIUS / L(ibens) M(erito);
    Übersetzung: Den Matronae Vaccalinehae (hat) Lucius Caldinius Firminius gerne und nach Gebühr (sein Gelübde erfüllt).


    Bei den Renovierungsarbeiten im Jahr 1991 sorgte ein überraschend im gemauerten Block des Hauptaltars zutage getretener Fund für Aufsehen. Als sogenannte Spolie (wiederverwendetes Bauteil) fand sich ein gut erhaltener Matronenstein des 2. Jahrhunderts. Die Inschrift unterhalb der Darstellung der drei Matronen besagt, dass Lucius Caldinius Firminius den Vaccalinehischen Matronen diesen Weihestein setzte. Ein Heiligtum dieser Matronen liegt nur etwa 4 km entfernt im Wald zwischen Nöthen und Pesch; vielleicht stammt der Stein ursprünglich von dort.
    Für die Nutzung des Steins im christlichen Zusammenhang waren auf seiner Rückseite vier Kreuze und eine Vertiefung für die Aufnahme einer Reliquie eingeschlagen worden.



    Rechte Seite mit stilisiertem Baum. Rückseite mit nachantiken Veränderungen:

    Vertiefung, die einst der Aufnahme von Reliquien (sepulcrum) diente.
    Diese Veränderungen belegen die Verwendung als Altarstein.








    Ausgrabung von 1991.
    Matronenstein, im Block des Hauptaltars vermauert. Ein älteres (romanisches?) Altarfundament wurde hier nachgewiesen, in dem der Stein vermutlich zuvor vermauert war.





    Legendenbildung

    Schon in den „Kunstdenkmälern der Rheinprovinz“ über den Altkreis Schleiden aus dem Jahr 1932 wird von einer Sage berichtet, nach der an der Stelle der Kirche ein „Heidentempel“ gestanden haben soll. Die archäologischen Untersuchungen 1991 konnten dies nicht bestätigen. Der im Altar vermauerte Matronenstein, der auch schon bei älteren Umbaumaßnahmen ausgefallen sein wird, hat sehr wahrscheinlich die Legendenbildung befeuert.

    MATRONIS

    Den Matronae

    VACALLINEHIS L(ucius)

    Vaccalinehae (hat) Lucius

    CALDINIVS FIRMINIVS

    Caldinius Firminius

    L(ibens) M(erito)

    gerne und nach Gebühr
    (sein Gelübde erfüllt).




       

    Mechernich-Weyer
     
    Seit der Mitte des letzten Jahres sind Konservierungsmaßnahmen zur Sicherung und Instandsetzung des um 1800 entstandenen hölzernen Tabernakel Altars in der kath. Pfarrkirche St. Cyriakus in Weyer an einen Restaurator vergeben worden. Die Arbeiten, die auch aus dem Denkmalförderprogramm des Landes NRW mitfinanziert werden, sollen zudem Aufschluss geben über die nicht zuverlässig darstellbare Baugeschichte des Hochaltars.
     
    Deswegen wurde vor wenigen Monaten hierfür die hölzerne, neugotische Verkleidung des Altarstipes abgenommen. Wie zunächst vermutet. Kam darunter ein aus unregelmäßigem Bruchsteinmauerwerk gefügter Unterbau zum Vorschein, in dessen rechter Hälfte jedoch eine große rechteckige Steinplatte vermauert war
     
    Nach behutsamer Freilegung des Steins wurde seine nach innen gerichtete Seite sichtbar, die im Halbrelief urer sitzende Frauermin einer Doppeinsche darstellt. Der Stein konnte daraufhin zweifelsfrei als römischer Matronenstein identifiziert werden. Bei genauerer Untersuchung durch die Restaurierungswerkstatt des Rheinischen Amtes für Denkmalpflege wurde auf den schmalen Seitenflächen eine reliefartige Darstellung eines Lebensbaumes festgestellt, die Analyse der Steinfläche, die zum Kirchenraum hin ausgerichtet war, zeigte jedoch überraschend eingemeißelte Weihekreuze und ein mittig eingelassenes Sepulcrum zur Bewahrung der Reliquienkapsel, so daß anhand dieser Befunde die Zweitverwendung des Steins als christliche Altarplatte belegt ist. Erst nachdem die Archäologen des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege zur Beurteilung des Matronensteines herangezogen wurden, entbrannte eine kontroverse Diskussion über das zukünftige Schicksal des römischen Weihesteines.
     
    Die Pfarrgemeinde wünschte, den Stein als Ausstellungsstück und Dokument für die Entstehungsgeschichte von Kirche und Dorf Weyer im Kirchenraum erlebbar werden zu lassen.
     
    Die Archäologen hingegen schlossen 29 Hauptansicht des römischen Matronensteins aufgrund der außergewöhnlichen historischen Bedeutung die Präsentation des Steines im Rheinischen Landesmuseum Bonn nicht aus. Nachdem dann das Rheinische Amt für Denkmalpflege den »christianisierten Matronenstein« als zugehöriges Ausstattungsstück der denkmalwerten Pfarrkirche St. Cyriakus deklarierte und die Unterschutzstellung gemäß §5 2 (2) DSchG NW als Baudenkmal begründete, wurde der endgültige Verbleib des Steines in der Kirche durch die Untere Denkmalbehörde Mechernich verfügt, seine wissenschaftliche Erforschung durch die Archäologen empfohlen. In weniger als drei Monaten‚ konnte daraufhin der Matronenstein im Landesmuseum Bonn untersucht und für die Herstellung von Repliken vorbereitet werden. In den ersten Maiwochen wird das Original und der vom Amt für Bodendenkmalpflege finanzierte Abguss in Weyer erwartet. Dem Wunsch der Pfarrgemeinde folgend wird der Abguss, für die Öffentlichkeit‚begreifbar«, später im Kirchenraum aufgesetzt werden. Erläuterungen sollen über den historischen Ort und die kunsthistorische Bedeutung Aufschluss geben.
     
    Nach den bisher vorliegenden Kenntnissen handelt es sich um einen Matronenstein aus Grauwacke zu Ehren der Matronen — VACALINEHAE — vermutlich aus der Zeit vom Ende des 2. Und Anfang des 3. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung. Mehr als 50 vergleichbare Weihesteine wurden bisher im Bereich des Tempelbezirks bei dem Dorf Münstereifel-Pesch aufgefunden.
    Über den Verbleib des Originalsteines besteht unter den Fachbehörden Einmütigkeit. Nach Fertigstellung des Hochaltars wird er wieder an seinem angestammten Platz im Altarstipes einen würdigen Aufbewahrungsort finden.

    Gab es in Weyer ein vorchristliches Heiligtum?
     
    Nach Erzählungen der Einwohner von Weyer, die sich auf ältere Literatur gründet, soll die Kirche auf einem römischen, oder sogar auf einem keltischen Heiligtum stehen.
     
    Worauf stützen sich nun die Legenden?
     
    Katzvey erwähnte erstmals 1854 in der „Geschichte der Stadt Münstereifel und Umgebung“, daß in Weyer ein vorchristliches Heiligtum gestanden habe. Er berief sich auf ein undatiertes Schriftstück, das angeblich bis 1804 im Pfarrarchiv Tondorf aufbewahrt wurde, dass er aber selbst nicht sah. Danach soll ein Feldherr Teudobald in Keßlingen an der Ahr, in Tondorf und Weyer die Götzenaltäre zerstört und an ihrer Stelle christliche Altäre errichtet haben.
     
    Über diesen Teudobald wird berichtet, daß Kaiser Justinian im Jahre 551 n.Chr. ihn bat, sich mit ihm gegen den Gotenkönig Totilas zu verbünden. Es darf bezweifelt werden, ob ein Schriftstück, wenn es je existent war, ohne sachkundige Behandlung 1200 Jahre in einem Pfarrhaus erhalten bleiben konnte.
     
    Umfangreiche Umbau- und Restaurierungsarbeiten im Inneren der Kirche, die seit Anfang der achtziger Jahre ausgeführt werden, brachten neue Funde zutage, die zu weiteren Deutungen verwoben wurden, die der Forschung nicht standhalten.
     
    1991 wurde im Block des Hauptaltars ein gut erhaltener Matronenstein freigelegt. Auf der Vorderseite des Matronensteins ist eine vierzeilige Inschrift eingemeißelt,
     
     
    die lautet:

    Matroni
    VACALLINEHIS L(ucius)
    CALDINIVS FIRMINUS
    L(ibens) M(erito)
     
    Den Matronae
    Vaccallinehae (hat) Lucius
    Caldinius Firminius
    gern und nach Gebühr
    (sein Gelübde erfüllt)
     



    Der Name der Matronae Vaccallinehae ist uns von mehreren Weiheinschriften bekannt, die aus dem Heidentempel bei Pesch stammen. Von den Fachleuten wird der Matronenstein dem zweiten Jahrhundert n.Chr. zugeordnet.
     
    Bemerkenswert sind die Veränderungen, die später auf der Rückseite des Steins vorgenommen wurden. Dort sind vier Kreuze in den Ecken eingeschlagen. In der Mitte wurde eine Vertiefung eingearbeitet, die für die Aufnahme eines Reliquienbehältnisses vorgesehen war. Die Vorderseite mit der Darstellung der Matronen war nach unten gedreht, so daß die Kreuze und die Reliquiennische an der Oberfläche lagen. Hier sollte wohl der Sieg des Christentums über die heidnischen Götter zum Ausdruck kommen. Wann die Veränderungen auf der Rückseite des Steins vorgenommen wurden, konnte nicht geklärt werden.
     
    Krajinovic und J. Tzschoppe entdeckten bei ihren weiteren Grabungen die Reste eines frühen Altars, in dessen Verband der Matronenstein ursprünglich verwendet wurde. Sein jetziger Platz, im Altar, hat er erst jetzt in Drittverwendung gefunden. Dieser Fund war die Geburt weiterer Legenden, die auch Beachtung in der überörtlichen Presse fanden. Weiter wurde mit der Entdeckung des alten Altares die Legende neu belebt, die besagt, daß von der Kirche ein unterirdischer Gang zur Kakushöhle führe. Dieser Gang soll ein Fluchtweg der Christen in unsicheren Zeiten gewesen sein.
     
    Bis heute hat man den Gang, auch kein Teilstück davon, entdeckt.

    Tatsächlich entdeckt wurden Reste des romanischen Vorgängerbaus, dessen Mittelschiff noch heute im Aufgehenden der spätgotischen Kirche, die um 1500 erbaut wurde, sichtbar sind. Nach den letzten Grabungen (1991), steht eindeutig fest, dass vor der heutigen Kirche ein romanischer Vorgänger an der Stelle gestanden hat und über einem fränkischen Gräberfeld errichtet wurde. Aus all den bisherigen Grabungen und Funden sind ein keltisches oder römisches Heiligtum wie auch der sagenhafte Fluchtgang nicht nachweisbar.

    Matronen im Heidentempel Nöthen – Pesch und im Vacalli-Gebiet
    überarbeiteter Text aus dem Buch „Wo Göttinnen das Land beschützten“
    von Sophie Lange

    Ich kann mich noch gut an meinen ersten Besuch im Heidentempel Pesch erinnern, obwohl es schon eine halbe Ewigkeit her ist. Es war ein milder Herbsttag. Vom Waldparkplatz hinter dem Dorf Pesch war ich durch den Wald hoch gekeucht. Der untere Teil des Weges war feucht, das Gebiet dort sumpfig. Es roch modrig. In der kleinen Schlucht sah ich einen Wildschweinkadaver. Verwesungsgeruch hing in der Luft. Doch je höher ich kam, desto klarer und frischer wurde die Luft, desto trockener und heller wurde der Weg. Mir fielen dreistämmige Bäume auf (die später abgeschlagen wurden), wohl schon als Ankündigung für die göttliche Dreiheit, die mich im Tempel erwartete. Diese dreistämmigen Bäume werden gerne als Hinweis auf die himmlische, erdverbundene Ausstrahlung eines archaischen Platzes gesehen.

    Der Tempel war von einer mystischen Stille umgeben. Nur welke Blätter raschelten unter meinen Füßen. Ich trat behutsam auf, um die Stille nicht zu unterbrechen, blieb immer wieder stehen, nahm die Stille wahr und schritt dann bedächtig weiter. Ich hatte das Empfinden, in eine andere Welt einzutauchen, in eine längst vergangene und vergessene Zeit. Das ganze Areal atmete Geschichte, vermittelte ein antikes Lebensgefühl. Wie viele Menschen mögen hier mit ihren Sehnsüchten und Wünschen zu den Göttinnen gepilgert sein? Sie haben Opfer gebracht, Weihesteine aufgestellt, Gebete gesprochen, Verbindung zur Anderswelt aufgenommen. Die Grenzen zwischen Diesseits und Jenseits sind durchlässig an alten Kultplätzen.
    Es war mein erster Besuch von unzähligen Besuchen, von wundervollen Stunden dort, obwohl manchmal die „Ruinen“ bei mir auch Wehmut und Schwermut auslösten, Trauer über die Zerstörung des Tempels, über den Niedergang einer ganzen Kultur, über den Unfrieden in der Welt, einstmals, heute und zu allen Zeiten.
    Der Heidentempel hatte mich nicht nur emotional berührt, sondern auch mein geschichtliches Interesse geweckt. So las und studierte ich in Zukunft alles, was je über den Tempel geschrieben worden war, kaufte Bücher über Kelten und Römer, durchwühlte die Bonner Jahrbücher und alles, was das Archiv in der Kreisverwaltung Euskirchen und die Eifelvereinsbibliothek in Mayen hergab; ich kopierte massenhaft und machte mir viele Notizen. Ein prall gefüllter Ordner ist es im Laufe der Jahre alleine von Pesch geworden.

    Der Tempelbezirk

    Der „Heidentempel“ auf dem „Addig“ zwischen Nöthen und Pesch ist ein beliebtes Ziel von Wanderern und Bildungstouristen, aber auch von Naturfreunden und Menschen, die auf der Suche nach starken Plätzen sind.
    Der Besucherstrom setzte bereits zur Zeit der Ausgrabung von 1913 bis 1918 ein und hat bis heute nicht nachgelassen. Beeindruckend sind nicht nur die landschaftliche Lage und die Atmosphäre des baumbestandenen Hains auf dem „Addig“, sondern auch die Baureste, welche die Pracht der einstigen Tempel vorstellbar machen. „Ein kleines Pompeji in den Eifelbergen!“1 schwärmte der aus Münstereifel stammende und später in Münster lebende Matronenforscher Dr. Franz Cramer (1860-1923), als er 1923 mit „Freund Hürten“ (Karl Hürten 1856-1925) aus Münstereifel die Anlage besuchte. Beide haben sich intensiv mit dem Matronenkult beschäftigt. Besonders Franz Cramer hat viele Berichte über den Kult der göttlichen Frauen geschrieben. (Einige sind bei den „Quellenangaben“ zu finden.)
    Der Addig liegt in der Mitte von vier Kuppen: dem Bosset (393 m) im Norden, dem Hondert (488 m) im Süden, dem Kronert (437 m) im Nordwesten und dem Steinbüchel (455 m) im Osten. Während die Anhöhe des Addigs nach Nordosten sanft in das Hornbachtal übergeht, fällt sie nach Westen steil ab. Wenn das Gebiet auf dem Addig nicht bewaldet wäre, was zur Zeit der Tempelnutzung durchaus der Fall gewesen sein kann, so hätte man hier genauso einen Panoramablick wie von dem Platz der Tempelanlage in Nettersheim.
    Das Wort „Addig“ ist in alten Schriften Arderich, Adicht oder Ardig geschrieben. Schließlich wurde daraus Adig oder Addig. Folgende Deutung fand man: „Aderich“ übersetzt man mit Be- und Entwässerungsrohre von gebranntem Ton aus römischer Zeit.“2 Auch eine Ableitung von aquaeductus (Wasserleitung) hält man für möglich. Von esoterischer Seite wird die Übersetzung „unterirdische Wasseradern“ favorisiert. Sicher ist auf jeden Fall, dass das Wort „Addig“ mit Wasser zu tun hat.
    Wie die Görresburg in Nettersheim so liegt auch der Addig in einem Delta. Wespelbach und Hornbach vereinen sich am Parkplatz Hornbachtal und fließen als Eschweiler Bach in nordöstliche Richtung, bis der Bach sich bei Iversheim mit der Erft vereinigt.
    200 m südöstlich der Tempelanlage führte die alte Römerstraße nach Köln vorbei. Gebäudespuren einer „villa rustica“ deuten auf eine frühe Besiedlung der Umgebung des Addigs hin. Spätrömische Grabstätten entdeckte man 1908 auf dem Hügel „Kronert“. Umstellt waren die steinernen Särge mit großen Sand- und Kalksteinplatten, die aus zertrümmerten älteren Grabdenkmälern und Altären hergestellt waren. Eine Grabplatte war Agramiano geweiht, anscheinend ein lokaler Schutzgott. Andere Steinbrocken zeigten stark verwitterte Portraitdarstellungen und Inschriften. 1982 wurde am Hirnberg bei Nöthen ein Steinplattengrab freigelegt. Skulpturen oder Schriftreste ließen sich hier jedoch nicht erkennen.3
    Bei der Ausgrabung zur Zeit des Ersten Weltkrieges wurde die Verehrungsstätte auf dem Addig „Heidentempel Pesch“ benannt, obwohl die Anlage auf Gilsdorfer Gebiet lag, jedoch näher am Dorf Pesch. Heute gehört das Gelände zu Noethen und damit zum Stadtgebiet von Bad Münstereifel. Der Ort Pesch gehört zur Gemeinde Nettersheim. Die Bezeichnung „Pescher Heidentempel“ ist noch allgemein üblich, die Bezeichnung „Matronentempel Nöthen/Pesch“ setzt sich aber immer mehr durch, obwohl auch diese Bezeichnung nicht korrekt ist, wie wir noch sehen werden.

    Heidenpützchen

    In der Volksüberlieferung hatten sich die Namen „Heidepützchen“ und „Heidenpützchen“ (Pütz = Brunnen, Quelle) erhalten, und so waren die römischen Spuren durchaus bekannt. Es muss von Raubgrabungen „egoistischer Privatsammler“ und „gewissenloser Kunsthändler“ lange vor der offiziellen Ausgrabung ausgegangen werden. Lehner spricht im Ausgrabungsbericht die Hoffnung aus, dass „dieser Geschäftsarchäologie, welche gerade damals in der Rheinprovinz eine immer unerträglichere Ausdehnung annahm und um so widerwärtiger war, je mehr sie sich mit einem idealen Mäntelchen drapierte, nun hoffentlich für alle Zeit durch das Ausgrabungsgesetz vom 26. März 1914 der Garaus gemacht wird.“
    Schriftlich wurde erstmals 1882 über Funde berichtet: „Zwischen Gilsdorf und Pesch, auf der Ostseite des Eschweilerbachs und der Südseite des Hornbachs, Distrikt „Am Heidepützchen“, sind vor sechs bis sieben Jahren unterirdische Gewölbe, Sandsteinplatten mit eingehauenen Figuren von Götzen(?) und ein teilweise verschütteter Brunnen entdeckt worden. Die Sandsteinplatten - von Herrn Lehrer Parsch zu Noethen gesehen – haben später als Baumaterial Verwendung gefunden. Das Ganze lag auf der Spitze des Berges „Heidepützchen“. Der Brunnen und die Ruinen waren längst bekannt.“4
    Eine nächste Meldung ist 1895 unter den Anfangsbuchstaben J. F. veröffentlicht. Bei diesen Abkürzungen handelt es sich wahrscheinlich um den Geistlichen Jacob Fey, der von 1892 bis 1897 Pfarrer in Frohngau war. Die Meldung lautet: „Bei einer mit dem Pfarrer Franken von Pesch auf dem Kirchenstück „am Heidenpütz“ (Heidentempel) vorgenommenen Grabung haben wir noch einen Raum vollständig erhalten gefunden, im nahen Walde aber viele Steine mit schönen Profilen in weißem und rotem Sandstein, auch noch ein Stück Inschrift, größer, aber nicht so gut erhalten, wie das, was ich im vorigen Jahr fand.“5
    1912 entdeckten Direktor Dr. Peter Meyer des Sankt Michael Gymnasiums in Münstereifel (1853-1935) und der bereits genannte Karl Hürten, der Geschichtsschreiber von Münstereifel, unweit von Pesch ein Frankengrab. Die beiden Herren leiteten in Münstereifel „eine Ära der Altertumsforschung höchster Stufe“ 6 ein, wie es in einem Zeitungsbericht von 1959 heißt. Das Frankengrab trug als Abdeckung einen gut erhaltenen Matronenstein. Von dem archäologisch interessierten Gastwirt Mauel aus Pesch erfuhren sie daraufhin, dass im Distrikt Heidenpütz ähnliche Steine in größerer Zahl zu finden seien. Hier hatte allerdings schon ein Herr Junkermann aus Köln tüchtig „gebuddelt“ und einige Altertümer gefunden, darunter mehrere Matronenköpfchen, Blumenkörbchen, ein Votivaltärchen und eine Concha (Muschelschale), in deren Nische die Gottheiten standen. Diese historischen Stücke wurden in der Pescher Gastwirtschaft ausgestellt und kamen später ins Landesmuseum Bonn.

    Raubgrabungen

    Grundriss, 3. Bauphase (nach Lehner)

    Gefunden hatte der Kölner auch „zwei Steine mit Hakenkreuzen, dem germanischen „Fyrfos“. Dieses Heilszeichen, im Indischen „Swastika“ genannt, ist seit 6.000 Jahren bekannt. Im keltisch-germanischen Kulturkreis stand es für den Lauf der Sonne und für den ewigen Kreislauf im Leben und in der Natur. Leider wurde diese wertvolle Seltenheit direkt nach Köln gebracht, verschwand dort auf dunklen Wegen und war so für eine wissenschaftliche Untersuchung nicht greifbar. Gerade diese Darstellung hätte über kultische Handlungen Auskunft geben können.
    In dem genannten Zeitungsartikel ist zu lesen, dass der damalige Pfarrer Kramer aus Eschweiler in einem Brief an Professor Hürten auf die „Raubgrabungen“ aufmerksam machte: „Es wird, wie ich mich neulich selbst überzeugte, mächtig gewühlt [im Heidentempel]. Wenn der Kölner wühlt, warum kann das Museum nicht bald mit den Ausgrabungen beginnen? Könnten Sie nicht das Weitere veranlassen, der hohen Wissenschaft zum Dienste?“
    Besonders setzten sich der Regierungspräsident von Aachen und der Landrat des Kreises Schleiden, Herr Pastor, für die Ausgrabung ein. Der Kreis Schleiden kaufte das betreffende Gebiet, so dass die Voraussetzungen für eine Ausgrabung gegeben waren.
    Im April 1913 wurde mit ersten Untersuchungen und nachfolgenden Ausgrabungen der Tempelanlage begonnen. Grabungsleiter waren abwechselnd Dr. Hans Lehner, Josef Hagen und Dr. Oelmann vom Provinzialmuseum Bonn. Im Frühjahr 1918 wurden die Ausgrabungen abgeschlossen.
    In Pesch wurden zahlreiche Belege der Vergangenheit aus der „Jahrhunderte langen Haft“ befreit, so zum Beispiel unterschiedliche Gegenstände aus Metall, Bronze, Eisen, Blei, Glas, Sigilata, Weißkeramik sowie über 60 Münzen. An rauwandigem Geschirr wurden Töpfe, Schüsseln, Teller, Krüge und Kannen sichergestellt. An Architekturresten legten die Archäologen Bruchstücke und Basen toskanischer Säulen, Kapitellreste und Gesimsstücke frei. Weiter fand man eine in viele Stücke zerschlagene Jupiterstatue, ein Fragment einer Baumdarstellung mit Schlange und ein stark beschädigtes Weiherelief an Kybele, der Mater Magna der vorderasiatischen Mysterienkulte. Mehrere große Bruchstücke wiesen auf Freiskulpturen hin: Sandsteinfigur eines Adlers, Lorbeerkranz (beide wahrscheinlich zu Jupiter gehörend), Füllhorn und ein Delphin sowie Reste von lebensgroßen Statuen, die man einer Freigruppe der Matronen zuordnete. Den größten Teil des Fundmaterials machten jedoch Bruchstücke von Weihesteinen aus. 254 Belege sind insgesamt den Matronensteinen zuzuordnen, die größte Dichte von Matronenfundmaterial an einer einzigen Stelle.

    Weihungen

    Die Weihungen nennen die Matronae Vacallinehae, so dass als sicher gelten kann, dass der Tempel diesen Göttinnen lange Zeit hindurch geweiht war, wenn auch gleichzeitig oder später andere Gottheiten (Kybele, Jupiter) hier ihren Platz fanden. Die Weihedenkmäler wurden zwischen 150 und 250 n. Ch. in dem Heiligtum aufgestellt, also zu der Zeit, in der die Steinsetzung allgemein in Mode war. Alle Funde zeigen, dass die Tempelbauten nicht wie in Nettersheim im Laufe der Jahrhunderte verfallen sind, sondern gewaltsam zerstört wurden.
    Die Matronendarstellungen und die Attribute haben die bekannte Form: Gemeinsam sitzen die Dreiergöttinnen auf einer Bank. Zwei Matronen beschirmen eine jugendliche Göttin in ihrer Mitte. Äpfel und Birnen, aber auch Schweinsköpfchen sind häufige Opfergaben. Baumdarstellungen weisen auf die Bedeutung des Lebensbaums und auf die Herkunft des Matronenkults aus den Naturreligionen hin. Auch die Stiftungen sind in der üblichen Art abgefasst. Circa 60 Stifternamen konnten aufgeschlüsselt werden. Die Dedikanten sind keine Legionäre oder Beneficiarier wie in Nettersheim, sondern „Bauern aus der Umgegend, vermutlich alle oder die meisten aus dem zugehörigen Vicus stammend“. Einige Altarsteine sind von Frauen mit folgenden wohlklingenden Namen gestiftet: Flaccinia Lefa, Attilia Amada, Cornelia Justina, Rumilia Junia, Lella, Amma, Priga und Aiva. Die Namen sind teils keltisch, teils germanisch und teils römisch. So trägt Flaccinia Lefa sowohl einen römischen (Flaccinia) als auch einen einheimischen, germanischen oder keltischen Namen (Lefa). Sie hatte den Stein auf Geheiß der Göttinnen gesetzt, die ihr die Anweisung in einer Trance oder in einem Traum gegeben haben mag. Liest man das Wort Lefa von hinten nach vorne, wie die Kelten gerne Namen kodierten, bekommt man Afel, die alte Bezeichnung für die Eifel. Ein Abguss dieses kleinen Weihealtars ist inzwischen im Kulthof des Matronentempels aufgestellt.

    Vom Baumheiligtum zur Prachtanlage

    Der "Heidentempel Pesch" zur Römerzeit
    Bei der Freilegung des Heidentempels auf dem Addig stellten die Archäologen drei Bauperioden fest, die Hans Lehner in seinem Ausgrabungsbericht von 1919 ausführlich beschrieben hat.7 Sicher war man sich, dass vor den steinernen Bauten hier ein göttlicher Baum, wahrscheinlich eine Eiche, in einem heiligen Hain als Zeichen der Götter verehrt wurde (s. unten unter Kulthof).
    Lehner legte die erste Bauphase auf ca. 130 unserer Zeitrechnung fest. 100 Jahre später wurde die Anlage erweitert, bis dann alle Bauten abgerissen und um 330 der ganze Kultplatz planiert und eine neue „Prachtanlage“ gebaut wurde. Inzwischen zweifeln Archäologen diese Datierungen zwar an, doch erst großräumige Grabungen könnten exakte Klärung bringen.
    Wir wollen hier zumindest für die letzte Bauphase bei Lehners Untersuchungen bleiben, wenn die Datierung “um 330 n. Chr.“ auch nur an einer einzigen Münze Constantins II. (Regierungszeit 337-340 n. Chr.) festgemacht ist. Diese wurde in der Stickung des Fundamentes der Basilika gefunden. Die Fundumstände sind aber – laut Biller – nicht absolut sicher geklärt.
    Durch den Neubau des groß angelegten Tempelbezirks erlebte die bisher eher bäuerlich-ländliche Kultstätte eine Blütezeit. Als Anlass wird für möglich gehalten, „dass im zweiten Viertel des vierten Jahrhunderts Verehrer der alten Götter aus den Städten aufs Land flüchteten, um dort ihr von den Vätern übernommenen Bräuche ungehindert ausüben zu können.“8
    Die dritte Bauphase schuf den Tempelbezirk, wie er sich heute in seinen Grundmauern präsentiert. Voller Enthusiasmus schrieb Lehner: „Die jüngste Bauperiode des Tempelbezirks stellt offenbar dessen Glanzperiode dar. Eine prunkvolle Anlage breitet sich nunmehr auf dem alten geweihten Raum aus, die mit den Resten aus älteren Bauten gründlich aufgeräumt hat. Die ganze Baugruppe ist offenbar nach einheitlichem Plan aus einem Guss entstanden und ist eine mit großem Luxus hergestellte Prachtanlage gewesen.“
    Aus der Größe und Pracht der Tempelanlage mit kunstvollen Säulen lässt sich schließen, dass keine kleinen Bauern aus den umliegenden Siedlungen die Bauherren waren, sondern dass gut situierte, finanzstarke Menschen - oder Gemeinschaften - hinter dem Bau standen, der sowohl als Heiligtum als auch als Forum dienen konnte. Auch lässt die Großzügigkeit des Tempelbereichs auf einen Wallfahrtsort schließen, zu dem Menschen von nah und fern pilgerten. Die Frage, wieso der Tempel sich zum Wallfahrtsort entwickelte, bleibt allerdings unbeantwortet. War er Ersatz für einen anderen stillgelegten Wallfahrtsort, zum Beispiel auf dem Michelsberg bei Münstereifel? Waren hier Heilungen geschehen oder hatte ein „Wunder“ den Menschenstrom angelockt?
    Die Prachtanlage bestand aus vier Gebäuden, errichtet in gleichen Abständen und in „schnurgerader Fluchtlinie“: Eine quadratische Cella, ein offener Hof, eine Basilika und ein Fachwerkhaus (letzteres nicht rekonstruiert). An der Südostecke war der antike Eingang, also an der entgegensetzten Stelle des heutigen Zugangs. Dort stand ein Haus, das aus einem kleinen und einem größeren Raum bestand. Wahrscheinlich wohnte hier die Tempelhüterin oder die Priesterin. Im Schutt des großen Raums fand man zwei kleine Weihesteine, darunter das bereits genannte Altärchen von Flaccinia Lefa. Der andere Stein war von Albanus Veneni filius et Priga den Vacallinehis Leudanis als Dank gestiftet worden.
    Eine 120 m lange und 3 m breite Wandelhalle an der Ostseite und teilweise an der Nordseite schloss den Tempelbezirk ab. Heute ist diese Wandelhalle zum Teil durch eine Buchenhecke erkennbar gemacht. In diese Wandelhalle war der Brunnen eingegliedert.

    Brunnen - kreisrunde Zisterne

    (Foto: Martina Schäfer)

    Wenn die Menschen früher zu den Göttinnen auf dem Addig pilgerten, werden sie durch den antiken Eingang, vorbei an dem Tempelwärterhäuschen in den aus Holz angefertigten Porticus eingetreten sein und bis zum Brunnen gegangen sein. Hier werden sie sich einer rituellen Reinigung unterzogen und sich mit nassen Zweigen gegenseitig besprengt haben. Sicher haben sie das Wasser als Heilwasser getrunken. Fast wie in einem späteren Kurbad sind die Menschen trinkend durch die Wandelhalle flaniert. Möglicherweise haben sie auch schon erste Rituale am Brunnen ausgeführt, getanzt, gesungen, gebetet. Sicher konnte man hier bei einigen Händlern Devotionalien erwerben, zum Beispiel kleine Hausmatronen für den Altar zu Hause. Später haben die Pilger das nötige Wasser für den Kultus in Krüge gefüllt und sich andächtig den einzelnen Räumen genähert.
    Wenn wir heute einen Rundgang durch den Tempelbezirk machen wollen, sollten wir diesen ebenfalls am Brunnen beginnen. Von hier aus können wir die ganze Anlage übersehen und uns mental auf jeden einzelnen Raum einstellen. Wir sollten uns etwas Zeit nehmen, um den genius loci, den Geist des Ortes, zu spüren. Nach diesem „Ankommen“ am Brunnen gehen wir über den Vorhof zu dem Umgangstempel rechts, dann zum Kulthof und schließlich zur Basilika. Beenden sollten wir den Rundgang wieder am Brunnen.
    Der Brunnen liegt an der tiefsten Stelle des ganzen bebauten Terrains, fast genau der höchsten Stelle des Kulthofs gegenüber. Hier im Brunnen konnte sich also Tagwasser und Grundwasser sammeln. Der Brunnen ist wohl das älteste Bauwerk, das vom Tempelbezirk sichtbar erhalten geblieben ist und ist aus allen Bauphasen nachweisbar. Die Wasserquelle lag zunächst außerhalb des heiligen Bezirks und wurde erst bei der letzten Bauphase in den Tempelbezirk integriert. Die runde Zisterne hat einen Durchmesser von 1,50 Meter. Die ganze Tiefe vom Rand bis zum gewachsenen Felsen beträgt 16,50 Meter.
    Bei der Ausgrabung entleerte man den Brunnen mit „sehr ausgiebiger Pumparbeit“. (Auch heute ist es mühsam, den Brunnen zu reinigen, der allzu gerne als Abfalleimer benutzt wird.) Bei der Ausgrabung wurden zahlreiche „unwesentliche“ Reste von Altären, Skulptur- und Architekturstücken geborgen, die alle stark verwittert waren. Auch fand man zahlreiche bearbeitete Holzreste, die offenbar von dem Oberbau und der Hebevorrichtung des Brunnens stammten. Bohlen, Bretter, Baumäste aus Buchen- oder Eichenholz und ein bearbeiteter Baumstamm wurden aus der Tiefe hervorgeholt.
    Der Volksmund weiß zu erzählen, dass in der Christnacht, der angelsächsischen Mütternacht, um Mitternacht im tiefen Heidenpütz ein Glöcklein läutet. Diese Überlieferung, 1882 aufgeschrieben, zeigt eine Verbindung zu irischen Sagen, in denen in der Christnacht Glocken von selbst beginnen zu läuten und Heilung versprechen (Die Glocke von Innisfare). Auch erzählt man, dass „op Chres“, zu Weihnachten, am Heidenpützchen ein Goldfeuer brennt. Tief im Brunnen soll ein goldener Wagen liegen, den aber niemand rausholen kann.9

    Umgangstempel

    (Foto: Martina Schäfer)

    Wenn wir heute den heiligen Hain auf dem vorgeschriebenen Weg betreten, erreichen wir als erste die quadratische Cella, die allgemein als Matronenheiligtum bezeichnet wird. Es besteht aus einer Umfassungsmauer und der kleineren quadratischen Cella. Der östliche Eingang war einst von Halbsäulen flankiert. Heute stehen zwei Matronensteine an den Seiten des Eingangs. Der eine Stein stammt aus dem Tempel von Nettersheim, wurde 1909 dort gefunden und 1976 als Kopie im Pescher Tempel aufgestellt (Deabus Aufanis von Marcus Aurelius Agripinus gestiftet). Man wählte diesen ortsfremden Altar, weil man bis dato keinen unbeschädigten Altar der vaccalinehischen Matronen gefunden hatte. Das änderte sich jedoch, als man unterhalb des Altars der Weyerer Kirche auf einen gut erhaltenen vaccalinehischen Matronenstein stieß (s. unten bei Weyer). So wurde 1991 eine Kopie dieses Votivsteins im „Heidentempel“ aufgestellt. Die „Bemalung“ des Altars ist neueren Datums. Es gibt zwar Hinweise, dass die Matronensteine farbig waren, aber ein genaues Farbbild ist nicht nachzuweisen. Nur bei den Inschriften kann man ziemlich sicher von einer roten Beschriftung ausgehen.
    Dieser mit einem Dach abgeschlossene Umgangstempel an der Stelle eines vorherigen kleineren Tempelraums war bei der letzten Bauphase in der jetzigen Quadratform vergrößert worden. Bei der Ausgrabung zeigten sich Reste von rot-schwarzem Innenverputz. Der Boden war mit einer Mörtelschicht bedeckt. Die mächtige Steinschwelle, die den Zugang zum Innenraum markiert, misst eine Breite von 3,60 m. Hier wird die Bedeutung der Schwelle als Prüfung und Übergang deutlich.
    Die Cella innerhalb eines Umgangstempels musste mehrmals feierlich umschritten werden, sowohl der äußere als auch der innere überdachte Umgang. Das Umschreiten eines Heiligtums ist auch von alten christlichen Wallfahrtskirchen bekannt. Erst nach diesem meditativen Rundgang darf man sich dem wahren Heiligtum nähern. Dieser abschließbare Innenraum wurde sicher nur bei besonderen Feierlichkeiten, Ritualen und Initiationsriten geöffnet denn die Grenze zwischen Profanem und Göttlichem durften wahrscheinlich nur ausgewählte Personen nach einer rituellen Reinigung – ohne Schwellenangst – überschreiten. Auch heute wird das Innere dieser Cella als heiliger Ort angesehen.
    Da man bei der Freilegung auch Bruchstücke einer stattlichen Matronenfigur und eine große Haube fand, geht man davon aus, dass in der Mitte der Cella als Mittelpunkt ein prachtvolles Kultbild der Göttinnen stand, nach dem man in Nettersheim vergeblich gesucht hatte. Es wäre logisch, wenn dieses Kultbild drei sitzende Göttinnen zeigte. Umgeben ist die Cella von einer Umgangsmauer, auf dem einst prachtvolle Säulen standen. Zwischen den Säulen und an der inneren Umgangsmauer werden die gestifteten Altärchen für die Matronen, eng aneinander gereiht, gestanden haben. Ob jedoch noch zur Zeit der letzten Bauphase die Matronen in diesem Raum (und im ganzen Temenos) verehrt wurden, ist fraglich, denn viele Weihesteine dieser Göttinnen sind im neuen Tempel als in Form geschlagen Quadersteine verwendet worden. Besonders in den Mauern des Kulthofes fand man diese Matronenbruchstücke. Der quadratische Raum war auf jeden Fall auch später noch von besonderer Bedeutung, sonst wäre er wohl kaum beim Neubau in dieser Form optimiert worden.

    Der Kulthof

    (Foto: Martina Schäfer)

    In der Mitte des Kulthofs loht ein Feuer. Junge Leute haben sich darum geschart. Einige haben eine Trommel dabei und versuchen einen gemeinsamen Rhythmus zu finden. Eine junge Frau macht dazu leichtfüßige Tanzschritte, barfuß! Kinder spielen mit Seifenblasen. Letzte Sonnenstrahlen spiegeln sich darin. Selig haschen die Kleinen nach den bunten hauchdünnen Zaubergebilden, von Paradieslust getrieben. Leise rauschen die Bäume, singen ein uraltes Lied.
    Die Gruppe hat sich einen schönen Platz für ihr Zusammensein ausgesucht. Der offene Hof, den man durch einen breiten Eingang betritt, umschließt die höchste Erhebung im ganzen Tempelbereich. Diese sanfte, „weibliche“ Erdrundung liegt genau dem Brunnen gegenüber. Sie ist nicht ausschließlich als natürliche Anhöhe anzusehen und hatte sicher eine große kultische Bedeutung.
    Bei radiästhetischen Untersuchungen mutete der Geobiologe W. Brüll auf dem Mittelpunkt des Kulthofs zwei Wasseradern, eine Verwerfung und eine Globalnetzgitterkreuzung. Bei Messungen mit der Wünschelrute waren hier die energetischen Schwingungen von Versuchspersonen erheblich höher als an einem neutralen Platz. W. Brüll erstellte eine Vergleichstabelle und zog das Fazit: „Aus der Tabelle ist zweifellos ablesbar, dass sich der Reaktionsabstand des Menschen signifikant vergrößert, wenn er sich einige Minuten in der Mitte des Hofes aufhält.“10
    Der offene Hof hatte ebenfalls einen kleineren Vorgänger, der bei der letzten Bauphase auf 100 Meter Länge und 34 Meter Breite vergrößert wurde. Viele Matronensteine wurden – wie bereits beschrieben - in diesem Hof gefunden. Diese Altäre stammen aus früheren Bauten und waren bei dem Neubau als bearbeitete Handquadern in der Begrenzungsmauer verarbeitet worden.
    Je eine kleine, mit einem Dach geschützte abschließbare Kammer wurde in der nordöstlichen und südöstlichen Ecke der Hofanlage bei der Ausgrabung freigelegt. Diese einstigen Schatzkammern sind heute durch Grundmauern kenntlich gemacht. Sie waren „der Aufbewahrung kleiner Votive und anderen Tempelschätzen vorbehalten.“11 Wertvolle Opfergaben und kunstvolle Kultgegenstände fanden hier ein sicheres Lager.
    Besondere Beachtung erfordert ein sechseckiges Fundament mit einem Durchmesser von 1,6 Metern. Hier hat wahrscheinlich anfänglich ein heiliger Baum als Mütterlichkeitssymbol gestanden. Meist war es eine Eiche, die während der Zeit der Naturreligionen innerhalb eines heiligen Hains als Sitz einer Gottheit Ehrung und Respekt erfuhr. Ein aufgefundenes Relikt eines steinernen Baumstücks mit einer Schlange ist ein Hinweis auf ein solches Baumheiligtum als Vorläufer des Tempels. An der Stelle des Baums wurde dann später ein steinernes sechseckiges Postament mit einem von sechs Säulen getragenem Dach gemauert. Es wird unter Fachleuten gerne diskutiert, welche Gottheit in diesem offenen Säulentempelchen gestanden hat. Meist wird die Theorie einer Jupiterstatue vertreten, denn man huldigte Jupiter als Gott der Eiche, so dass hier ein Zusammenhang möglich wäre.
    Doch inzwischen bejahen Archäologen die These, dass hier keine Jupiterfigur, sondern eine Baumplastik aus Stein an den einst heiligen Baum erinnerte: „Es scheint plausibler, dies mit dem ursprünglichen Standort eines heiligen Baumes in Verbindung zu bringen als mit einem Jupitermonument.“12 Bei allen Bauphasen wurde dieser „heilige Platz“ berücksichtigt. Das Sechseck lag zuerst außerhalb des Hofs und wurde bei der dritten Bauphase innerhalb des offenen Kultplatzes integriert. Im Hof stehen heute (2010) drei Matronensteine: Eine Kopie eines Nettersheimer Steins, ein Inschriftenstein mit der Inschrift: Mat(ronis) Vacallinihis Attilia Amada Votum solvit sowie der Lefa Stein. Zur Zeit der Kultausübungen waren es sicher viel mehr Altäre, die den Hof schmückten.

    Wenn wir heute den heiligen Hain auf dem vorgeschriebenen Weg betreten, erreichen wir als erste die quadratische Cella, die allgemein als Matronenheiligtum bezeichnet wird. Es besteht aus einer Umfassungsmauer und der kleineren quadratischen Cella. Der östliche Eingang war einst von Halbsäulen flankiert. Heute stehen zwei Matronensteine an den Seiten des Eingangs. Der eine Stein stammt aus dem Tempel von Nettersheim, wurde 1909 dort gefunden und 1976 als Kopie im Pescher Tempel aufgestellt (Deabus Aufanis von Marcus Aurelius Agripinus gestiftet). Man wählte diesen ortsfremden Altar, weil man bis dato keinen unbeschädigten Altar der vaccalinehischen Matronen gefunden hatte. Das änderte sich jedoch, als man unterhalb des Altars der Weyerer Kirche auf einen gut erhaltenen vaccalinehischen Matronenstein stieß (s. unten bei Weyer). So wurde 1991 eine Kopie dieses Votivsteins im „Heidentempel“ aufgestellt. Die „Bemalung“ des Altars ist neueren Datums. Es gibt zwar Hinweise, dass die Matronensteine farbig waren, aber ein genaues Farbbild ist nicht nachzuweisen. Nur bei den Inschriften kann man ziemlich sicher von einer roten Beschriftung ausgehen.
    Dieser mit einem Dach abgeschlossene Umgangstempel an der Stelle eines vorherigen kleineren Tempelraums war bei der letzten Bauphase in der jetzigen Quadratform vergrößert worden. Bei der Ausgrabung zeigten sich Reste von rot-schwarzem Innenverputz. Der Boden war mit einer Mörtelschicht bedeckt. Die mächtige Steinschwelle, die den Zugang zum Innenraum markiert, misst eine Breite von 3,60 m. Hier wird die Bedeutung der Schwelle als Prüfung und Übergang deutlich.
    Die Cella innerhalb eines Umgangstempels musste mehrmals feierlich umschritten werden, sowohl der äußere als auch der innere überdachte Umgang. Das Umschreiten eines Heiligtums ist auch von alten christlichen Wallfahrtskirchen bekannt. Erst nach diesem meditativen Rundgang darf man sich dem wahren Heiligtum nähern. Dieser abschließbare Innenraum wurde sicher nur bei besonderen Feierlichkeiten, Ritualen und Initiationsriten geöffnet denn die Grenze zwischen Profanem und Göttlichem durften wahrscheinlich nur ausgewählte Personen nach einer rituellen Reinigung – ohne Schwellenangst – überschreiten. Auch heute wird das Innere dieser Cella als heiliger Ort angesehen.
    Da man bei der Freilegung auch Bruchstücke einer stattlichen Matronenfigur und eine große Haube fand, geht man davon aus, dass in der Mitte der Cella als Mittelpunkt ein prachtvolles Kultbild der Göttinnen stand, nach dem man in Nettersheim vergeblich gesucht hatte. Es wäre logisch, wenn dieses Kultbild drei sitzende Göttinnen zeigte. Umgeben ist die Cella von einer Umgangsmauer, auf dem einst prachtvolle Säulen standen. Zwischen den Säulen und an der inneren Umgangsmauer werden die gestifteten Altärchen für die Matronen, eng aneinander gereiht, gestanden haben. Ob jedoch noch zur Zeit der letzten Bauphase die Matronen in diesem Raum (und im ganzen Temenos) verehrt wurden, ist fraglich, denn viele Weihesteine dieser Göttinnen sind im neuen Tempel als in Form geschlagen Quadersteine verwendet worden. Besonders in den Mauern des Kulthofes fand man diese Matronenbruchstücke. Der quadratische Raum war auf jeden Fall auch später noch von besonderer Bedeutung, sonst wäre er wohl kaum beim Neubau in dieser Form optimiert worden.

    Basilika

    (Foto: Martina Schäfer)

    Erst in der letzten Bauphase entstand der dritte Bau, die Basilika. Diese quadratische Halle von 13,65 m Seitenlänge erweckte bei der Ausgrabung großes Interesse, denn man war im Ubiergebiet noch nie auf eine solche „Kirche“ innerhalb einer heidnischen Tempelanlage gestoßen. Man nannte diesen Bau Basilika. Das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutete anfänglich Königshalle. Im römischen Imperium wurden mit Basilika größere Markt-, Versammlungs- oder Gerichtshallen bezeichnet. Die ersten Basiliken wurden Anfang des 2. Jahrhundert v. Chr. auf dem Forum Romanum erbaut. Sie hatten mehrere Schiffe und an der hinteren Seite einen halbrunden Abschluss, die sogenannte Apsis. Die Basilika im Heidentempel zeigt Merkmale dieser frühen Bauten.
    Sie war außen verputzt und wies innen Malereischmuck auf. Durch zwei Reihen von je drei unkannelierten Säulen und durch zwei an den Außenwänden angelehnte Halbsäulen war sie in drei Schiffe geteilt, ein breites Mittelschiff und zwei schmale Seitenschiffe. Die Säulenbasen sind durch Mäuerchen verbunden. Der 2,20 m breite Eingang war innen und außen von Säulen flankiert, so dass der ganze repräsentative „Prachtbau“ die Macht und den Reichtum seiner Erbauer demonstrierte. Gegenüber dem Eingang liegt an der Westseite eine rechteckige Apsis, deren natürlicher Boden 1,20 bis 1,30 m tiefer als der Boden der Basilika ist. Dorfbewohner aus Pesch erzählten den Archäologen bei der ersten Ausgrabung von einem dortigen Gewölbe, unter welchem sie Schutz bei Regen gesucht hätten. Zur Zeit der Ausgrabung war dieses Gewölbe nicht mehr vorhanden. Lehner kam zu dem Schluss, dass die Apsis aus zwei überliegenden Räumen bestanden hatte, einem tieferliegenden, kellerartigen Raum und einem „erhöhten Tribunal“. Der kellerartige Hohlraum, einer Krypta vergleichbar, kann durch eine Falltür von oben zugänglich gewesen sein und der Aufbewahrung von Kultgegenständen gedient haben, aber auch für Riten genutzt worden sein. Im Volksmund wird er „Heidenkeller“ genannt. Antike Funde aus diesem Keller waren zur Zeit der Ausgrabung bereits von Raubgräbern „verscherbelt“ worden.

    Versammlungsraum

    Da es in der Pescher Basilika Hinweise auf Sitzbänke gibt, deutete man diese Festhalle als Versammlungsraum. Von anderen Tempeln war bekannt, dass sich an eigentliche Kultgebäude profane Bauwerke angliederten, „deren Zweck in mehr oder weniger losem Zusammenhang mit dem eigentlichen Gottesdienst stand… und dem Vergnügen und Behagen größerer Besuchermengen dienten.“ So ist von ähnlichen Bauten die Inschrift „Curia“ (Versammlungsraum) erhalten.
    Neben diesem weltlichen Gedanken verfolgte man aber auch die Idee einer religiösen Versammlungshalle, die „zu Nutz und Frommen“ der Besucher errichtet worden war. Die von Wissenschaftlern vertretene Ansicht, dass der basilikale Bau einem lokalen Männerbund, einer Kurie der Vacalli, als Treffpunkt und Versammlungsraum diente, bleibt weiterhin umstritten.
    Es wurde in Erwägung gezogen, dass die Festhalle einem anderen Kultus geweiht war. Man dachte an die orientalischen Mysterienkulte, die im dritten Jahrhundert im gesamten Rheinland zahlreiche Anhänger gefunden hatten. Ein Fragment eines Reliefs der phrygischen Göttermutter Kybele, der Magna Mater, nährte diese Hypothese. Auch die Ausgrabung eines ähnlichen „Kellers“ innerhalb eines Tempelbezirks in Neuss machte die Verehrung von Kybele in lokalen Tempeln vorstellbar. In Neuss handelte es sich ganz eindeutig um einen Taufkeller der Großen Göttermutter Kybele. Dieses Gebäude wurde um etwa 330 n. Chr. zerstört, also etwa zur gleichen Zeit, als die neue Anlage in Pesch entstand. Bei Sicherungsmaßnahmen im September und Oktober 1961 untersuchte man die Basilika erneut. Neue Erkenntnisse waren mager: „Nach den neuen Ergebnissen wird man sie nicht mehr als Basilika im engeren architekturgeschichtlichen Sinn ansehen, also als Gebäude mit einem überhöhten und durch eigene Fenster beleuchteten Mittelschiff, sondern als Halle mit drei gleich hohen Schiffen. Leider erfüllten sich unsere Hoffnungen auf neue Funde nicht, welche die Zweckbestimmung des eigentlichen Bauwerks eindeutig erklärten. Also können wir weiterhin nur wegen der Verwandtschaft mit bestimmten vergleichbaren Bauten vermuten, dass die „Basilika“ einst den Anhängern eines Mysterienkultes als Versammlungsraum diente.“13

    Kybele

    Gegen die intensive Verehrung der Kybele argumentiert man, dass im Pescher Tempel nur ein einziges Relikt einer Statue der Kybele gefunden wurde. Allerdings muss man bedenken, dass die Anhänger der Geheimkulte längst nicht so verschwenderisch mit Weihesteinen umgingen wie die Matronenverehrer. Doch welche Gottheit in der Basilika ihre Kultstätte hatte, bleibt letztendlich unsicher. Sicher ist man inzwischen nur, dass die Matronen zu der Zeit der letzten Bauphase auf dem Addig nicht mehr relevant waren, immerhin waren für die Vergrößerung der Anlage viele Matronen - Weihesteine in Mauern eingebaut worden.
    Bereits 1951 stellte eine Gruppe von „Bonner Altertumsfreunden“ bei einer Besichtigung des Pescher Matronenheiligtums die Frage: „Verdient dieses Matronenheiligtum noch seinen Namen?“ Der damalige Leiter des Landesmuseums, Direktor Neuffer, führte durch den Kultbezirk und seine Erläuterungen waren „von hohem Niveau in Anbetracht der Tatsache, dass er hier vor einem Forum von Sachkennern verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen sprach.“14 Anschließend kam es zu einer lebhaften Aussprache. Viele Mutmaßungen wurden diskutiert, doch zu einem Ergebnis kamen auch diese hohen Herren nicht.
    Auch heute ist man sich zwar sicher, dass nach 330 die Matronen nicht mehr auf dem Addig verehrt wurden, aber wer oder was hier die Menschen in seinen Bann zog, ist weiterhin unklar. Nach Ansicht von heutigen Archäologen ist auch Kybele unwahrscheinlich.
    In dem Buch „Mit dem Fahrstuhl in die Römerzeit“ schrieb der Journalist, Historiker und Bestsellerautor Rudolf Pörtner (1912 – 2001) schon im Jahr 1959 über den Heidentempel Pesch: „Wie dem auch sei – sie lebten auch hier friedlich unter einem Dach: die heimischen Matronen, der olympische Jupiter und die Große Mutter aus Kleinasien. Und gingen gemeinsam unter.“15 Doch gerade dieser gemeinsame Untergang muss in Frage gestellt werden.
    Welche Gottheit wurde also in der späteren Zeit hier verehrt? Wurden vor dem Neubau der großen Anlage die alten Gebäude niedergerissen, um den Matronenkult zu beenden? Die Fragen um den „Heidentempel“ und Basilika werden immer zahlreicher, je mehr man hier nachforscht. Südlich der Basilika war ein Fachwerkschuppen, der wahrscheinlich als Speicherhaus für Vorratsgüter oder als Versorgungsküche gedient hat. Dieser Bau ist nicht restauriert, ist aber noch an einigen Grundmauern teilweise zu erkennen. Auch mit dem Zaun zur benachbarten, heute in Privatbesitz befindlichen Wiese, war der Kultbezirk bestimmt nicht abgeschlossen. Von der Wiese geht es abwärts in eine kleine Schlucht, wo einst drei Quellen waren. Von einem dortigen Hexentanzplatz, auf dessen oberste Stelle man „abheben kann“, munkelt man aber nur unter vorgehaltener Hand.

    Weitere Untersuchungen

    Bei der Freilegung der Tempelanlage wurde die Bonner Sternwarte mit einer astronomischen Untersuchung beauftragt. Im Grabungsbericht ist zu lesen, dass „die ganze Gebäudeflucht mit seiner Achse nicht genau nach Osten, sondern mehr nach Norden, also ungefähr nach ONO gerichtet ist. Jedenfalls aber ist die bei antiken Tempeln vorwiegende Richtung des Tempeleingangs nach Osten auch hier beabsichtigt und die Möglichkeit, dass die Abweichung vom genauen Osten auf der Orientierung nach dem Sonnenaufgang eines bestimmten Tages (Festtag der Gottheiten, Gründungstag des Tempels) beruht, nicht ausgeschlossen.“ Wie wir schon gesehen haben, war laut Volksüberlieferung der Tag der Wintersonnwende von Bedeutung.
    Von weiteren Untersuchungen sollen noch Arbeiten von 1959 erwähnt werden. In einem „Fünf-Jahres-Plan zur Rettung des Matronenheiligtums bei Pesch“ wurden vom Landschaftsverband in Verbindung mit dem Landeskonservator umfangreiche Sicherungsmaßnahmen durchgeführt, da die Mauern stark bröckelten. Die Restaurierungsarbeiten wurden von „Spezialarbeitern“ einer Mechernicher Baufirma geleistet. Einer dieser Arbeiter fand eine Silbermünze, „die sich nach entsprechender Reinigung als Prachtexemplar erwies. Ausgezeichnet leserlich ist die Inschrift rund um den Kopf des römischen Kaisers: „IMP(erator) ANTONINUS AUG(ustus), der in der zweiten nachchristlichen Jahrhundert residierte. Die Finder lieferten die Münze im Bonner Landesmuseum ab, das sich in ähnlichen Fällen (Brunnenstube Kallmuth) mit einem Finderlohn erkenntlich zeigte, der u. U. weit über dem materiellen Wert eines Münzfundes liegt.“16 Ergänzt wird noch, dass römische Münzen bei Antiquitätenhändlern kiloweise zu haben seien, das Stück für 25 Pfennige.
    Das gesamte Münzspektrum reicht im Kultzentrum auf dem Addig bis zum späten 4. Jahrhundert. (Bonn bis ca. 325, Nettersheim bis 410, Zingsheim bis Ende des 4. Jahrhunderts). Zu Ende des 4. oder Anfang des 5. Jahrhunderts wird die Nutzung der Gebäude auf dem Addig aufgegeben worden sein. Später wurde der Tempel gewaltsam zerstört. Man fand zerschlagene Weihesteine und Brandspuren. Lehner erklärte 1914 bei einem Vortrag in Bonn über die Matronencella: „Der Tempel war offenbar durch Brand zerstört, starke Brandspuren waren an den Wänden, auf dem Estrich und in dem ihn füllenden Bauschutt wahrzunehmen.“17
    Zu welcher Zeit das geschah, weiß man nicht. Es kann gleichzeitig mit dem Ende der Nutzung geschehen sein, aber auch erst viel später. Lehner vermutete die Zerstörung Anfang des 5. Jahrhunderts, die aber fraglich bleiben muss. Die häufigste Theorie für die Zerstörung vertritt „plündernde Germanen oder sendungsbewusste Christen“.18 Die Aggressivität, mit der man ans Werk ging, deutet eher auf einen Glaubenskampf hin als auf eine Plünderung. Neben der Brandlegung schlug man alles, was aus Stein war, kurz und klein. Dass man nicht nur den Tempelbezirk vernichten, sondern auch die Verehrung der alten Gottheiten ausrotten wollte, demonstrieren zahlreiche Köpfchen von Matronen, die aus den Altarbildern herausgeschlagen worden waren.

    Die Vacallinehae und der Stamm Vacalli

    Der Name Vacallinehae ist keltisch. Wie bei anderen Matronenbeinamen, so ist auch bei den Vacallinehae die Schreibweise auf den Weihesteinen unterschiedlich: Vacalinihis, Vacallenehis, Vacallinehis. Die letzte Form ist die häufigste. Ob die verschiedenen Benennungen zu unterschiedlichen Zeiten gebräuchlich waren, hat sich trotz Nachforschungen einiger Wissenschaftler nicht feststellen lassen. Vielmehr ist man zu dem Schluss gekommen, dass die abweichende Rechtschreibung keine Bedeutung hat. Die unterschiedlichen Endungen und Belegformen des Namens hat der Sprachwissenschaftler Prof. Theo Vennemann aus München 1993 untersucht und erklärt.19
    Den Beinamen dieser Matronen leitet man von einem Stamm namens Vacalli ab, so dass die Vacallinehae die Beschützerinnen eben dieses Stammes wären. Neben dem Heidentempel Nöthen-Pesch wurden Matronensteine in Mechernich-Antweiler, Lessenich, Satzvey und Weyer gefunden, so dass das Schutzgebiet der vacallinehischen Matronen dadurch genau bestimmt werden kann. Auf zwei Weihesteinen des Heidentempels ist als weiterer Beiname Leudinis belegt. Hier kann es sich um eine Sippe, innerhalb der Vacallis oder um Bewohner eines untergegangen Ortes „Leudium“ handeln.
    Für den Namen Vacallinehae gibt es mehrere Übersetzungsversuche, von denen hier nur einige genannt werden sollen. In dem Wort kann das germanische „kalle“ für schwatzen, laut sprechen eingeflochten sein, schließlich gibt es zwei Kallbäche in der Eifel, der Kallbach im Venn und die Kall (alte Schreibweise Call) bei Kall, und das sind munter plaudernde Gewässer.20
    Die Kall ist aber auch eine Rinne, wobei wir an das Wort „Addig“ denken und an den Römer“kanal“. Franz Cramer, der Matronenamen aus dem Griechischen ableitete und die Matronen als Seherinnen sah, kam zu der Deutung „sanfte Klage kündend“.21
    1949 ist von Dr. Wilhelm Kaspers aus Düren folgende Erklärung veröffentlicht: „Der Ort des Kultes hieß etwa Vacalla, gebildet aus vaca plus gallisches Suffic all, das nicht nur persönlich (Vasallus), sondern auch örtlich verwendet wird. Vaca stelle ich zu indogermanisch uaka, altirisch vaca Kuh, lateinisch vacca. Danach hieße Vacalla Kuhort.“22 Zu einem ähnlichen Ergebnis kam die Frauenforscherin Gudrun Nositschka aus Wachendorf (Mechernich). Als Grundlage nahm sie den Artikel „Das Protokoll der Sprache in „Weib und Macht“, Frankfurt 1992, von Richard Fester. Sie schreibt: „Zu den sechs Archetypen aller Sprachen gehört das Wort oder die Silbe Kall. Ich zitiere: „Kall ist jede Vertiefung, jeder Hohlraum, jede Wölbung, jeder enge Durchlass, ist Schale, Kehle, Höhle, Wohnstatt, Kulthöhle, Quelle und das Tal wie der Pass, der die Höhe überwindet. Vor allem aber der mütterliche Leib, die Geburt, das Kind, die Sippe, der Clan, das Volk. Tiere und Fruchtbarkeit, Schnecken und Muscheln, die ihre Wohnhöhlen mit sich tragen, Pflanzen und Bäume, die hohl sind oder hohle Früchte haben oder sich zum Aushöhlen für Bütte und Boote eigenen. Kall ist auch Niederung, Senke, Meer, Mündung, Flussbett, See, aber auch Zugang und Weg.“ Um zu differenzieren, führt Fester aus, ist das Wort auch mit andern Vokalen, Konsonanten, in den jeweiligen Umkehrungen und Verdoppelungen entwickelt worden. Aus Kall wird u. a. Lak/Lac oder Caw/Cavoder Wac/Vac. Die Überstimmung mit dem Wort vacall ist auffällig. Was bedeuten die Worte zu der Zeit, als die römischen Soldaten sich der keltischen Kulte bedienten? Wacca heißt im Lateinischen Kuh, das milchgebende Muttertier. Lac (Kall) heißt im Lateinischen die Muttermilch. Muttermilch wird mit lebenspendend gleichgesetzt. Von der Sprache her sind die Vaccalinehischen Matronen also lebensspendende Göttinnen, die mit der Muttermilch assoziiert werden. Laut Lexikon der keltischen Mythologie von Sylvia und Paul f. Botheroyd, München 1992 „unterhielten die Kelten die indogermanische Vorstellung von der Kuh als Verkörperung oder Attribut der Muttergöttin.““23

    Matronensteine im Vacalliland

    Könnte man vom Addig aus in direkter Luftlinie auf Antweiler zusteuern, müsste man nach einem Marsch über den Bosset das Dorf Gilsdorf passieren, den Stockert bei Eschweiler überwinden, zwischen Röttger- und Schlangenberg wandern, um über Wachendorf das Dorf Antweiler in der Antweiler Senke zu erreichen. Knapp zehn Kilometer misst diese Strecke. Würde man schnurgerade in die gleiche nordöstliche Richtung weitergehen, würde man die Matronenorte Euskirchen, Weilerswist sowie Brühl streifen und landete mitten in Köln.
    Um 1600 wird erstmals der Matronenkult aufgrund aufgefundener Weihesteine schriftlich erwähnt. Der Priester, Gelehrte und Historiker Johann Friedrich Schannat (1683-1739) hat bereits in seinen historischen Studien einige Matronensteine aufgeführt. Einer dieser ersten Steine, welcher der „gelehrten Welt“ bekannt wurde, ist in „Antweiler pago Eiffliae prope Wachendorp“ gefunden worden. Die genaue Fundstelle ist nicht bekannt. Dieser Weihestein zeigt eine Darstellung der drei sitzenden Göttinnen, die auf dem Schoß eine Blumen- oder Obstschale tragen. Die Inschrift wurde folgendermaßen gelesen: Matronis Vacallinehis Tib. Claudius Maternus Imp. Ip. LM. Unterhalb der Inschrift war eine Opferszene dargestellt, die folgendermaßen beschrieben ist: “Unter dieser Inschrift steht eine weibliche Figur in langem Gewande, welche einen Blütenzweig in der Hand trägt und über deren Kopf der Buchstabe L eingehauen ist. Neben dieser Figur steht ein Altar, auf welchem Flammen brennen; neben dem Altare ein Jüngling mit einem Rauchfass. Ein Mann, welcher etwas in der Hand trägt, schüttet solches in das Feuer auf dem Altare.“24 Der Stein soll sich ehemals in der Blankenheimer Sammlung befunden haben. Diese berühmte Altertumssammlung war von Hermann Graf von Blankenheim (1543-1604) angelegt worden. Mit großen finanziellen Opfern hatte er alle antiken Kunstwerke, die ihm erreichbar waren, zusammengetragen und in sein Schloss in Blankenheim und in seinem Park in Jünkerath ausgestellt. Diese Sammlung enthielt neben einer großen Bibliothek auch wertvolle römische Altertümer, darunter auch Matronensteine. 1794 wurde die Sammlung geraubt und die meisten regionalen Schätze wurden verschleudert. Nur wenige fanden später den Weg wieder in Museen (Landesmuseum Bonn, Wallraf-Richartz Museum Köln), die meisten waren jedoch für immer für die Wissenschaft verloren.

    Antweiler

    Verschollen sind auch die drei Weihesteine, die man im Frühjahr 1852 beim Abriss der baufälligen Kirche von Antweiler „im Mauerwerk zerstreut“ fand. Der erste Matronenstein war aus grobem, grauem Quarzsand und trug eine Inschrift, die folgendermaßen erweitert wurde: Matronis Vacallinehis Am(ius) Nomiceiius Primus. Ein zweiter Stein von derselben Qualität war zur Hälfte zerstört. Er konnte ebenfalls den vacallinehischen Matronen zugeordnet werden. Der dritte Stein ist wie folgt beschrieben „Der Rest einer Votivara von etwas feinerem, weißem Korn, worauf in besser gearbeiteten Zügen nur noch die Buchstaben …tronis zu lesen sind. Über der Leiste sieht man noch deutlich, dass Figuren über derselben ausgehauen waren, wovon aber nichts mehr erkennbar ist.“25 Die Frage, ob diese Matronensteine aus dem Heidentempel Nöthen-Pesch oder aus einer Kultstätte in der Nähe von Antweiler/Wachendorf stammen, kann nicht geklärt werden.
    1908 stieß man bei Lessenich auf drei Inschriftensteine, die den vacallinehischen Matronen geweiht waren. Die Fundstelle liegt „20 Minuten südlich von Lessenich auf dem höchsten Punkte zwischen Lessenich und Rißdorf.“26 Mit dem ersten hat Marcus Antonius Masuetus für sich und die Seinen ein Gelübde eingelöst. Der rechteckige Altar ist aus rotgrauem Sandstein und 57 cm hoch, 26 cm breit und 15 cm tief. Oben auf dem Giebel liegt eine Frucht, auf den Schmalseiten sind Bäume eingemeißelt. Den zweiten Stein hat Lucius Cavonius Victor den Stammesgöttinnen der Vacalli gesetzt. Dieser ist aus grauem Sandstein und 73 cm hoch. Auf dem dritten Stein ist die Inschrift stark verstümmelt. Sie wurde wie folgt ergänzt: (Va)callineis G(aius) Juliu(s) Secundu(s) VSLM. Auch dieser Stein ist aus grauem Sandstein. Er misst in der Höhe 52 cm und in der Breite 33 cm. Auf dem Giebel liegen ein Apfel und eine Birne. Die drei Altarsteine befinden sich im Landesmuseum in Bonn.
    Eventuell waren die Matronensteine in Zweitverwendung als Grabwandungen benutzt worden, worauf zumindest die Tatsache hindeutet, dass einige Ecken abgeschlagen sind, also die Steine einer gewissen Form angepasst worden sind.
    1984 wurde man in der Nähe von Lessenich abermals fündig: „Im Januar 1984 wurde bei Mechernich-Lessenich, Kreis Euskirchen, gut 400 m westlich der Kirche ein fränkisches Steinplattengrab angepflügt. Zur Abdeckung diente u. a. das Bruchstück eines römischen Weihesteins für die Matronae Vacallinehae, die in dem knapp 9 km südlich gelegenen Tempelbezirk von Pesch ein Zentrum ihrer Verehrung hatten.“27
    Satzvey am sagenhaften Veybach liegt gut zwei Kilometer von Lessenich und vier Kilometer von Antweiler entfernt. Dort hat man 1916 einen Matronenstein entdeckt, „aber nicht in der Erde, sondern in einem Bauernhaus vermauert.“ Ein Gaius Farsuleius Terentius hat den vacallinehischen Matronen für sich und die Seinen voll Dankbarkeit diesen Altarstein gestiftet. Der Weihestein soll ursprünglich in der Gemarkung „Am Steine Kreuz“ zwischen Satzvey und Obergartzem gefunden worden sein; inzwischen ist er ins Bonner Landesmuseum gekommen. Zwei weitere Matronensteine sind noch bekannt, die jedoch nicht wissenschaftlich untersucht wurden und verschollen sind. Der eine Stein soll nach mündlicher Überlieferung ebenfalls auf der Flur „Am Steine Kreuz“ gefunden worden sein. Von einem weiteren Fund in Satzvey ist folgendes bekannt: „Anfang der fünfziger Jahre förderte der Landwirt W. K. aus Satzvey bei der Feldarbeit auf einer als Ackerland genutzten Teilfläche des Flurbereichs Hennesberg einen Matronenaltar aus rotbraunem Sandstein zutage.“ Da auf dem Hennesberg am Rande eines Moorgebietes auch die Sagengestalt „Jufferfey“ wandelt, kann hier eventuell ein Matronenheiligtum gestanden haben, „das in der Erinnerung der Menschen weiterlebte.“28

    Katzensteine im Feybachtal

    Katzensteine (Foto: Sophie Lange)

    An das Vacalli-Gebiet grenzen auch die monumentalen „Katzensteine“ zwischen Katzvey und Satzvey im Tal des Feybachs, wo die sagenhafte Fey ihr Reich hat (siehe Matronentempel Zingsheim). Die 15 Meter hohen Felsen beeindrucken durch eine starke Ausstrahlung. Hier haben schon altsteinzeitliche Jäger und Sammler Schutz und Bleibe gesucht. Vom 1. bis zum 3. Jahrhundert wurden die Katzensteine als Steinbrüche genutzt. Sie sind der einzige nachweisbare Steinbruch zur Römerzeit in der Nordeifel. Mancher Matronenstein mag aus dem Felsen gebrochen worden sein, nachweislich die Weihesteine aus Iversheim in der Nähe der römischen Kalkbrennerei bei Münstereifel. Oberhalb der Katzensteine verläuft die römische Wasserleitung aus der Eifel nach Köln. Hier stieß man 1971 auf einen kleinen Tempel, der der Jagdgöttin Diana geweiht war.29
    1998 fanden erneut Grabungen in der Nähe des „Dianatempels“ an den unter Naturschutz stehenden Katzensteinen statt. Viele Bruchstücke kamen ans Tageslicht. Bei einem großen Quader vermutete man ein Unterteil eines Weihedenkmals, ein anderer größerer Block deutete man als „ein Fragment eines Weihe- oder Grabdenkmals.“30 Bei diesen Nachgrabungen stieß man auf Inschriftenfragmente, durch die sich auch die Verehrung von Matronen nachweisen ließ. Ein Beiname der Göttinnen ergab sich leider nicht. Anscheinend hatte sich die Jagdgöttin Diana mit den Matronen hier einen Tempel geteilt, was auch von Billig und Weilerswist bekannt ist.31 Weitere Dianafragmente wurden in Mechernich/Kommern und Euskirchen erkannt, so dass man neben Köln auch im Raum Euskirchen einen Schwerpunkt der Dianaverehrung im Ubiergebiet vermutet. Von den vacallinehischen Weihesteinen sei noch ein Inschriftenstein erwähnt, den ein Soldat der Legion I Minerva den Matribus Vacallineis auf Geheiß der Göttinnen herstellen ließ. Dieser Stein wurde 1834 in Bonn/Endenich gefunden. Der Name des Stifters ist Atticus Maternus. Es scheint sich um einen Vacalli zu handeln, den sein Legionärsdienst nach Bonn verschlagen hatte und der dort seine heimischen Schutzgöttinnen nicht vermissen wollte und ihnen einen Altar widmete. Der Stein kam als Geschenk in das damalige Bonner Provinzialmuseum (heute Landesmuseum).

    Weyer - Matronenstein im Altar

    Kirche Weyer ca. 1936

    Dass auch in unserer Zeit noch bemerkenswerte Matronenfunde gemacht werden, zeigte sich 1991, als unter dem Altar der Weyerer Pfarrkirche (Stadtgebiet Mechernich) ein gut erhaltener Matronenstein zum Vorschein kam.
    Schon mehrmals hatte man in früheren Zeiten in Altären christlicher Kirchen römische Götteraltäre gefunden. So fand man zum Beispiel 1812 beim Umbau der alten Tondorfer Kirche einen Viergötterstein, dem man leider wenig Beachtung schenkte und in die Grundmauern einbaute. Die dem Braunkohleabbau geopferte alte Kapelle Vilvenich bei Düren beherbergte einen Matronenstein, der der Kapelle eine besondere Bedeutung verlieh.32 In der Außenmauer der Euskirchener Martinuskirche war ein Matronenstein eingebaut (siehe Fachinehis Zingsheim/Euskirchen), ebenso in der alten Kapelle von Billig. Zwei Inschriftensteine an die Matronen kann man noch in der Kirche Marienborn in Zülpich - Hoven sehen. Ob man durch die Zweitverwendung der alten Göttersteine den Sieg des Christentums über das Heidentum demonstrieren wollte oder ob man nicht ganz auf die alten Götter verzichten wollte, sei dahingestellt.
    Überlegungen dieser Art wurden 1991 in Weyer aktuell, als man innerhalb von umfassenden Renovierungsmaßnahmen in der Sankt-Cyriakus-Kirche am 4. Februar unterhalb des Altaraufbaus auf Bruchstücke eines Wege- und eines Grabkreuzes stieß. Für Überraschung sorgte schließlich ein 12 Zentner schwerer Quaderstein. Als man diesen umdrehte, entpuppte er sich als gut erhaltener Altarstein mit Matronenbild und Inschrift.
    Die drei Göttinnen sitzen wie üblich in ubischer Festtagstracht in einer Ädikula. Auffallend ist, dass der Kopf der mittleren, sehr schmalen Figur regelrecht „abgegriffen“ wirkt, was auch bei anderen Matronensteinen zu beobachten ist. Für dieses Phänomen gibt es mehrere Erklärungsversuche. Es kann sein, dass Menschen ehrfurchtsvoll das Gesicht berührt haben und durch Schweißrückstände bei diesem „Fingerabdruck“ der Kalkstein zersetzt wurde. Eine andere Theorie hält es für möglich, dass man den Kalk abkratzte, um den Kalksand für Heilungs- und Fruchtbarkeitsriten zu nutzen. Verschiedentlich wird die Theorie vertreten, dass während der „Heidenverfolgung“ die Köpfchen zerschlagen wurden, um den Göttinnen „das Gesicht zu nehmen“. Bei dem Weyerer Stein sieht das abgegriffene Köpfchen allerdings nicht nach einer Zerstörung aus.
    Der Stein aus der Weyerer Kirche ist 109 cm hoch, 68,5 cm breit und 30 cm tief. Das Steinmaterial stammt aus den Steinbrüchen von Pont-à-Mousson an der französischen Obermosel. Auch bei anderen römischen Funden (Grabwandungen) stammt Steinmaterial aus diesen Steinbrüchen. Es stellt sich die Frage, wieso man diese schweren Brocken von so weit her holte, da es doch in der Nähe genug Steinbrüche gab.
    Auf dem Schoß tragen die Matronen Schalen mit Früchten. An den Schmalseiten ist je ein Baum eingemeißelt. Stilistisch ist der Weihestein dem ausgehenden zweiten Jahrhundert zuzuordnen.
    Die Inschrift ist in der bekannten Form abgefasst. Übersetzt lautet sie: „Den Matronen Vaccalinehae hat Lucius Caldinius Firminius gern nach ihrem Verdienst sein Gelübde erfüllt.“ Der Name Caldinius war bereits als Stiftername von einem im Heidentempel Pesch gefundenen Matronenstein bekannt. In diesem Namen sieht man eine Verbindung zu dem Ort Keldenich bei Kall. Caldinius ist allerdings ein häufiger Personenname und auch von anderen Fundorten (Bonn und Köln) belegt.
    Vor dem Einbau in den Altar war der Weihestein „ent“weiht worden. Davon zeugen auf der Rückseite in den Ecken vier eingeschlagene Kreuze und in der Mitte eine abgestufte Vertiefung, die zur Aufnahme von Reliquien gedient haben mag. Wann dies geschehen ist, lässt sich nicht feststellen. Man ist sich jedoch sicher, dass der Matronenstein in einer Drittverwendung zu einem christlich–getauften Heidenstein umgewandelt wurde, quasi christianisiert wurde. Der Herkunftsort des Altarsteins wird im Heidentempel Nöthen/Pesch zu suchen sein. Das Originalmonument ist nach einer Untersuchung des Landesmuseums zur Weyerer Kirche zurückgekehrt. Ein Abguss wurde im Dorf Pesch aufgestellt, je eine weitere Kopie in Bad Münstereifel (Apothekenmuseum), im Naturzentrum Nettersheim, an der Antweiler Kirche, und im Tempelbezirk auf dem Addig. Der Volksüberlieferung zufolge soll die Pfarrkirche von Weyer auf den Grundmauern eines römischen Tempels stehen, der vielleicht sogar ein keltisches Heiligtum als Vorläufer hatte. Reste einer Cella lägen unter dem Chor, erzählt man sich im Dorf. In den 1980er Jahren ging das Rheinische Amt für Bodendenkmalpflege diesen „Legenden“ nach. Als in dem Kirchenraum eine Heizungsanlage eingebaut wurde, legte man Ausschnitte eines fränkischen Gräberfeldes frei, fand aber keine Hinweise auf römische Vorgängerbauten oder auf ein keltisches Heiligtum.

    Kirche Weyer - Ort der Kraft

    Ganz anders sehen da radiästhetische Messungen aus, die der Geobiologe Wilhelm Brüll 1990 vor(!) der Freilegung des Matronensteins in der Weyerer Pfarrkirche durchführte. Er konnte nicht nur einen „Ort der Kraft“ in unmittelbarer Nähe des späteren Fundortes ausmuten, sondern auch den vermuteten Grundriss einer vorrömischen Kultstätte erkennen: ein Rechteck von sechs mal acht Meter und einer Stärke der Umfassung von 0,80 Meter.33
    In der Nähe der Kirche von Weyer liegt die Kartsteinhöhle, in der Menschen bereits seit Urzeiten Schutz vor den Unbilden der Natur suchten. Im Volksmund wird die Höhle Kakushöhle, große Kirche und Kinderhöhle genannt. Die Sage erzählt von der Göttin Helic: „Es ist schon lange her, da waltete in den Höhlen des Kartsteins die Göttin Helic. Diese Göttin rief auf geheimnisvolle Weise die Kinder ins Leben. Aus einem verborgenen Raum tief im Innern der Höhle – dem Herzen der Mutter Erde – holte sie die Menschenkinder hervor. Die unterirdischen Quellen und Bäche gaben das lebensspendende Wasser.“34
    Sehr nachdrücklich behaupten bis heute die Bewohner von Weyer und Umgebung, dass ein unterirdischer Gang von der Weyerer Kirche zur Kartsteinhöhle führe, so dass man sich jederzeit hätte zurückziehen können. Auch dieser Überlieferung gingen die Denkmalschützer nach und fanden „das Ende einer Legende“: „Bei einigen Kirchen mögen diese Sagen einen realen Hintergrund haben: Die Untersuchung der römischen Wasserleitung von der Eifel nach Köln, vor allem in dem Abschnitt bei Breitenbenden, zeigte, dass der Kanal an einigen Stelle bis heute begehbar ist und so den Anlass für die Sagenbildungen geben konnte.“35
    Allerdings ist diese Begründung wenig befriedigend, denn der Römerkanal führt in einiger Entfernung an Weyer vorbei. Auffallend ist, dass unabhängig voneinander in Kallmuth, Urft und Nettersheim von unterirdischen Gängen erzählt wird, die von diesen Orten ausgehend alle an der Weyerer Kirche ans Tageslicht führten, womit dem Terrain dann doch eine gewisse Sonderstellung zukommt. Es ist denkbar, dass sich ein Wissen von einer imaginären, mythischen Beziehung zwischen diesen Orten erhalten hat, wobei in der Volksfantasie das unsichtbare Band zu unterirdischen Gängen geworden ist. Andere Deutung erinnert daran, dass die Kelten an besonderen Plätzen unterirdische Schächte anlegten, wo sie sich zur Meditation zurückziehen konnten.
    Höhlen waren in Vorzeiten magische Kulträume. Höhle und Dom haben etwas Urverwandtes. Der Dunkelpart der Höhlen und damit der Unterwelt wurde durch heilige, helle Höhenplätze kompensiert. Trafen Menschen sich unter der Erde zu einem Ritual, so hielten andere Menschen auf einer Höhe Wache. So hält man es für möglich, dass mit den Verehrungsstätten in Weyer und auf dem Addig in Pesch ein Ausgleich zu der großen Höhle des Kartsteins geschaffen wurde, denn Höhlen waren in das Verbundnetz der Kultplätze einbezogen und durch Pilgerpfade miteinander verbunden.36 Von den landschaftlichen Schönheiten rund um Weyer sei vor allem der Eulenberg bei Urfey/Vollem genannt, der einen einmaligen Rundblick ins Land beschert. Der Name kommt nicht von Eule, sondern eher von dem germanischen alah = heiliger Hain, geweihte Stätte. Eulenberge gibt es im Zülpicher Matronenland in Geich und bei Sinzenich. Vom Eulenberg bei Urfey/Vollem hat man einen freien Blick auf die Kirche in Weyer. Ein regelrechter Initiationsweg führt von der Spitze des Eulenbergs über zwei kleine Kuppen zu dem fast 500 m hohen Lichtertberg, der mit dem keltischen Lichtgott Lug in Zusammenhang gebracht wird. Zwischen diesen Hügelzügen und der hochgelegenen Weyerer Kirche schlängelt sich der Feybach. Er führt zu den fachinehischen Matronen (siehe Zingsheim).

    Quellenangaben

    1 Dr. Franz Cramer: Ein Spaziergang von Münstereifel zum Pescher Matronenheiligtum. In: Eifelvereinsblatt, August 1923, Seite 27
    2 Matthias Strick: Nöthen - Gilsdorfer Flurnamen. Ihre Deutung und Geschichte. 2007
    3 Ausgrabungen im Rheinland 1981/82, Seite 44
    4 Dr. Pohl, Linz: Römer-Canal. In B J 77, 1882, Seite 135
    5 F. J.: Kleine Mitteilungen. In: Rheinische Geschichtsblätter, Oktober 1895, Seite 128
    6 Paul Elbern: Rettung des Matronenheiligtums bei Pesch.
    In: Köln. Rundschau, 14. April 1959
    7 Hans Lehner: Der Tempelbezirk der Matronae Vacallinehae bei Pesch.
    In: B J 125, 1919, Seite 74 – 162
    8 php: Auf dem Addig. In: Zwischen Eifel und Ville, November 1951
    9 Sophie Lange: Hier spukt’s, Sagen und alte Dorfgeschichten aus den elf Orten der Gemeinde Nettersheim, 2000, Seite 105
    http://www.sophie-lange.de/sagen_nettersheim_1.html
    10 Wilhelm Brüll † 8.10.2011: Radiästhetische Messungen in Römertempeln der Eifel.
    In: Wetter-Boden-Mensch 21/1987, Seite 2014
    http://www.weyer.privat.t-online.de/orte/mythologie.html
    siehe auch
    http://www.wingarden.de/wing/nachedition2003/weyer.html
    11 H. Lehner: Matronenheiligtum bei Pesch. In: B J 123, 1916, Seite 72
    12 Wolfgang Spickermann: Germania Inferior, Tübingen 2008, Seite 48
    13 Walter Sage: Nachgrabung in der „Basilika“ des Heidentempels bei Pesch, Gemeinde Nöthen, Kreis Schleiden. In: B J 164, 1964, Seite 35
    14 Julius Eigner; Altertumsfreunde besuchen Matronenheiligtum.
    In „Die Eifel“, Oktober 1951
    15 Rudolf Pörtner: Mit dem Fahrstuhl in die Römerzeit. Düsseldorf. 1959, Seite 128
    16 Paul Elbern: Rettung des Matronenheiligtums bei Pesch.
    In: Köln. Rundschau, 14. April 1959
    17 H. Lehner: Matronenheiligtum bei Pesch. In: BJ 1916, Seite 68
    18 H. G. Horn: Der Matronentempel bei Pesch. In: Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern, Teil II: Exkursionen, Nr. 26, Mainz 1974, Seite 80
    19. Theo Vennemann gen. Nierfeld: Ein ubisches Lautgesetz. Sonderdruck aus: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur, 115. Band 3. Heft 1993, Seite 381
    20 Winfried Mauel: Am Anfang war die Kall. In: Monschauer Jahrbuch 1995
    http://www.sophie-lange.de/matronen18.html
    Winfried Mauel: Die Kall ist überall, Manuskript 1995
    21 Franz Cramer. Von Matronen und Weihedenkmälern, Welda 1933
    22 Dr. Wilhelm Kaspers: Die Ortsnamen der Dürener Gegend, Düren 1949, Seite 48
    23 Gudrun Nositschka, Wachendorf, Manuskript 1994
    24 Johann Friedrich Schannat: Eiflia Illustrata. Ergänzung Georg Bärsch, 1852, Band 3, Abteilung 1, Abschnitt 1, Seite 164
    25 J. Freudenberg: Neue Matronensteine aus Antweiler und Zülpich.
    In: B J 19, 1853, Seite 86
    26 Klaus Krüger: Zur Siedlungsgeschichte Lessenichs: Liezniha war der Anfang.
    In: Kreis Euskirchen Jahrbuch 1989, Seite 5
    27 Ausgrabungen im Rheinland, 1983/1984, Seite 42
    28 Klaus Krüger „Bei Tau und Nebel am fließendem Wasser“.
    In: Jahrbuch Kreis Euskirchen 1992, Seite 10
    29 Walter Sölter: Die roten „Katzenköpfe“, ein römischer Steinbruch an den Katzensteinen bei Mechernich-Katzvey, Kreis Euskirchen.:
    In Ausgrabungen im Rheinland 1976, Seite 114.116
    30 Frank Biller und Paul Wagner: Neufund am Straßenrand: Römische Weihesteinfragmente an den Katzensteinen
    In: Archäologie im Rheinland 1999, Seite 112
    31 Sophie Lange: Archäologen gruben an den Katzensteinen.
    In: Köln. Rundschau Eifelland vom 28.11.2000
    32 http://www.sophie-lange.de/matronenkult/16.htm
    33 Wilhelm Brüll † 8.10.2011: Spuren keltischer Religion und Mythologie bei Weyer
    In: Kreis Euskirchen Jahrbuch 1991
    www.ruediger-weyer.de/orte/mythologie.html
    34 www.sophie-lange.de/Kakushoehle/10.htm
    35 Winfried Maria Koch: St. Cyriakus in Weyer –
    das Ende einer Legende.
    36 Sophie Lange: Pfade zwischen Höhlen und Tempeln.
    In: Kölnische Rundschau, Eifelland. 14.03.1990 www.sophie-lange.de/matronenkult/4 kultpfade.htm

    Hauptmenü

    Wir benutzen Cookies
    Wir nutzen Cookies und Google Fonts auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.