#weyereifel
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    Eine Wolfsgeschichte

    Es war im Jahre 1819. Die bewegten Zeiten, wo Kriegsvölker verschiedener Herren Länder unsere Heimat durchzogen, waren vorüber, und der Bürger erfreute sich wieder einer glücklichen Friedenszeit.
    Durch das Rüdesheimer Tor (Euskirchen) schritt um diese Zeit ein Bürger der Stadt, der über eine ansehnliche Körperlänge verfügte. Die kräftige Erscheinung war ganz dazu angetan, besondere Aufmerksamkeit zu erwecken. Auf der Schulter trug der Wanderer einen hydraulich gewachsenen, fast zwei Zoll dicken und vier Fuß langen Eichenknüppel, dessen überragendes Ende mit Strangtabakswürsten behangen war. Rüstig schritt der Schmiedemeister H.N., denn dieser war in der Person des Wandernden zu erkennen, sein Pfeifchen rauchend, durch die Benden der Jülichsmühle zu.

    Der Bendenmüller beschäftigte sich an seiner reparaturbedürftigen „Äerek" (Schleuse), als der Meister, dessen Kunde er war, ihm seinen Gruß entbot. „Aber wo geht die Reise hin ?" forschte neugierig der Müller, „und dazu im Sonntagsstaat?" „Ihr wißt", erwiederte der Meister, „daß ein Teil meiner Angehörigen in der Eifel wohnt. Mein Vater will seine Schmiede und Ländereien in Weyer unter uns Geschwister in Teilung bringen. Diese Angelegenheit ruft mich nach dort, und dann möchte ich meinen Vater bereden, zu mir nach Euskirchen überzusiedeln, da lebts sich jetzt gut nach der Kriegszeit. Übrigens wird er sich auf den guten Tabak freuen, den ich vergangene Woche mir in Köln geholt habe." Bei diesen Worten deutete der Meister auf die Tabaksringe, die an dem Ende des Knotenstocks hingen. Nach kurzem Gruß zog der Meister seines Weges, den Veybach entlang, über Wißkirchen, Veynau und Satzvey. Der schöne Septembertag war dazu angetan, den Wanderer in gute Stimmung zu versetzen. Das Dickicht, welches hier und da das Bett des Veybaches einsäumte, zeigte noch ein kräftiges Grün.

    Schon näherte sich der Wanderer dem Dörfchen Satzvey. Das Kirchlein grüßte von der Höhe herab, und die teilweise mit Strohschindeln gedeckten Dächer machten den Eindruck eines echten Eifeldörfchens. Manchem Bekannten nickte der Meister ein freundliches „Guten Abend" zu ohne sich jedoch in ein Gespräch einzulassen. Es war noch ein gutes Stück Weges bis zum Einbruch der Dunkelheit zurückzulegen, und da galt es ohne Aufenthalt rüstigen Schrittes auszuholen. Der sagenhafte Katzenstein war bald erreicht; jetzt schlug der Wanderer in nächster Nähe einen Waldweg ein, der kurz vor Breitenbenden endete.

    Ein seitliches Rascheln das näher kam, erregte die Aufmerksamkeit des Wanderers, und im selben Augenblick schoß ein prächtiger Rehbock über den Waldweg. „Der hats eilig", dachte der Meister, doch die Ursache der Eile sollte er bald erfahren. Kaum war der Bock seinen Augen entschwunden, als wenige Schritte vor ihm ein riesiger Wolf aus dem Gebüsch sprang, und nach dem verfolgten Rehbock spähte. Die veränderte Situation war dem Wolf gleich klar. Zähnefletschend maß der Wolf sein Gegenüber, der aber kaltblütig und ohne Furcht seine Tabakswürste zur Erde gleiten ließ, mit beiden Händen den furchtbaren Prügel faßte, und nach der linken Seite ausholte, wobei er den Wolf fest im Auge behielt. Nach einigem Zögern ging der Wolf einige Schritte vor, um sich im nächsten Augenblick auf seinen Gegner zu stürzen. Der Angriff sollte ihm aber verderblich werden. Um einen sicheren Schlag zu haben, wählte der Meister einen Seitenhieb, der dem Wolf bei seinem Sprunge die beiden Vorderbeine zerschmetterte. Heulend wälzte sich der Räuber am Boden, jedoch nicht lange, denn ein zweiter Schlag zertrümmerte ihm den Schädel. Stolz betrachtete der Meister seine Trophäe, und stützte sich ausschnaufend auf seinen Knotenstock. Was war zunächst zu tun? Liegen lassen wollte er den Kadaver nicht, jedoch das riesige Tier mitschleppen, war unbequem oder unmöglich. Freilich hatte die Regierung neuerdings eine Prämie von 10 bezw. 12 Reichstaler auf einen erlegten Wolf gesetzt, und die wollte sich der Meister sichern. Es blieb also vorläufig nichts anderes zu tun, als den Wolf vorläufig im Walde zu verstecken, bis sich am nächsten Tage vielleicht Gelegenheit bot, den Kadaver auf ein Fuhrwerk zu bekommen. Ein kleines Eibengebüsch in der Nähe schien ein geeignetes Versteck zu bieten, und ohne sich lange zu besinnen brachte der Meister den toten Wolf, das Tier am Schwänze nach sich ziehend, dort unter.

    Der Meister raffte seine Tabaksringe zusammen, dankte Gott für den glücklichen Ausgang des Kampfes und ging beschleunigten Schrittes Breitenbenden zu. Bei dem einen Abenteuer sollte es jedoch nicht bleiben. Es dunkelte bereits in den Gewannen hinter Breitenbenden, als das scharfe Auge des Wanderers an einem Kreuzwege wiederum eine Wolfsgestalt entdeckte, die ihre grünlch schimmernden Augen nach dem Ankömmling richtete. Überlegend hemmte er seine Schritte. Einen Kampf in der Dunkelheit wollte er ohne Not nicht wagen, sondern ihm ausweichen. Es galt also der Versuch, den Wolf zu verscheuchen. Schnell entschlossen griff der Meister in seinen Kittel, holte Stahl und Feuerstein hervor, und ließ in scharfen Strichen die Funken von dem Steine sprühen. Der geniale Gedanke war von Erfolg begleitet. Mißtrauisch betrachtete der Wolf den feuerspeienden Menschen, machte kehrt, und trottete in die Gemarkung zurück, wo er in der Dunkelheit bald verschwand. „Es ist wahrhaftig nicht mehr geheuer in der Eifel" murmelte der Meister im Weitergehen. „Es wäre notwendig, daß die Bauern wieder regelmäßig ihre Wolfsjagden abhalten/' In seinem früheren Heimatort Weyer war die Wolfsjagd ein Ereignis, das fast alle wehrhaften Männer auf die Beine brachte. Heugabeln, Knüppeln, alte Parti¬sanen und einige Feuersteinflinten machten dann die Bewaffnung der Bauern aus. Wurde ein Wolf zur Strecke gebracht. so freute sich jung und alt im Dorfe, und alles drängte sich nach der Jagd zusammen, um den Wolf zu sehen, der lange ein Schrecken in Feld und Wald gewesen war. Auf Dreimühlen in der Nähe der Kakushöhle erhellte der schwache Schimmer der Öllampe die kleinen Fensterscheiben, als der Meister die Höhe hinanschritt, und bei seinem Schwager, dem Dreimüller Hamacher den Türklopfer fallen ließ. Freudig wurde der späte Gast ins Haus geleitet. Im Herdfeuer flackerten und knisterten die Buchenscheite, und die Funken stoben in den weiten Rachen des offenen Kamins. Am Hahl hing ein großer gußeiserner Kessel, in dem die Abendsuppe brodelte. Dem späten Gast rückte der Dreimüller einen derben Eichenschemel ans Herdfeuer, und dann begann ein lebhafter Austausch über die Familienverhältnisse. Während dessen erprobten Gast und Gastgeber die Qualität des Strangtabaks. Die blauen Wölkchen erfüllten bald den Raum, und die Müllerin war geschäftig, die Abendsuppe aufzutragen. Als der Schwager nach dem Abendessen das Erlebte des Tages schilderte, kannte das Staunen der Zuhörer keine Grenzen mehr, und die jüngeren Familienangehörigen blickten voll Ehrfurcht auf den gewaltigen Onkel, der den bösen Wolf erschlagen hatte. Allerhand Wolfsgeschichten bildeten den Gegenstand der weiteren Unterhaltung. Der Dreimüller wußte manches Stückchen zu erzählen von den Räubereien der schlimmen Waldgesellen. Beim Abschied des Schwagers ließ er es sich nicht nehmen, denselben ein Stück Weges zum nahen Dorf Weyer zu begleiten. Zur völligen Befriedigung des Meisters wurde am nächsten Tage die Familienangelegenheit geregelt. Sein Vater entschloß sich, bei ihm in Euskirchen seine alten Tage zuzubringen. Im Dorfe Weyer kaufte er noch einen Wagen Lohholz, das er zum erwärmen der Radreifen beim Räderaufziehen benötigte. Der Wagen sollte am selben Tag abfahren und unterwegs den Wolfskadaver mitnehmen. Trotz eifriger Absuchung des Eibenbusches konnte derselbe nicht aufgefunden werden, und keine Spur bot einen Anhaltspunkt, welchen Weg er genommen hatte.

    Die Mißstimmung des Meisters über den Verbleib des Wolfes hielt aber nicht lange an. Nachdenklich stopfte er sein Pfeifchen, das er mit Stahl und Feuerstein anbrann¬te, und schritt wohlgemut hinter dem Fuhrwerk her, seiner Heimatstadt zu.

    Theodor Nießen


     

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